Collection: Marie Hansen Taylor Correspondence
Author: Marie Hansen (Taylor)
Recipient: Lina Braun (Hansen)
Description: Letter from Marie Taylor to Lina Hansen, November 13, 1874.
Original text
[page 1 (sheet 1, right-hand side):]
New-York, Nov. 13, 1874
Meine liebste Mutter!
Du wirst Dir wohl schon denken können, daß diesmal mein Brief wegen des Umzugs sich etwas verspätet hat; damit Du aber nicht all zu ängstlich wirst, schreibe ich noch schnell vor Abgang der englischen Post, wenn's auch nicht viel werden kann. Wir sind noch mitten in arger Unordnung. Die Kisten sind zwar nun beseitigt, aber die Koffer sind noch nicht ausgepackt, die Bilder nicht aufgehängt, die Bücher unaufgestellt - kurz es ist noch gar nicht gemütlich. Der Umzug ist übrigens nicht die einzige Ursache meiner Verspätung hinsichtlich dieses Briefes. Wäre Lilian nicht ganz unerwartet krank geworden, so wären wir bereits vor 8 Tagen hier eingezogen, anstatt vorgestern. Wir verließen Cedarcroft am 3. Nov nach sehr mühevollen Tagen, denn Ida u. ich haben fast alles - Glas, Porzellan, ja sogar einen Theil der Möbel, ganz allein einpacken müssen, da entweder keien Hülfe aufzutreiben war oder ich in Stich gelassen wurde. Wir stiegen im Hotel ab um daselbst die Ankunft des Güterwagens abzuwarten. Aber schon am nächsten Tag zeigten sich bei Lilian Krankheitssymptome u. am folgenden Tag, als ich einen Arzt herbeigeholt, bestätigte er meine Befürchtung, daß sie Dyphtheritis
[page 2 (sheet 2, left-hand side):]
habe. Der Arzt war glücklicherweise ein sehr geschickter. Seine Behandlung war ausgezeichnet, gebot aber f unausgesetzte Sorgfalt u. Pflege. Jede 15 Minuten Arznei u. [insertion:] eiskalte [/insertion] Umschläge um den Hals u. dazwischen musste das Kind Stückchen Eis schlucken. Ida stand mir treulich bei, sie wachte abwechselnd mit mir u. nach 3 Tagen hatten wir die Freude Lilian wieder außer Gefahr zu wissen. Vorvorgestern durfte sie hierher nach unserm Logis fahren. Sie hat Gottlob nichts an frischem Aussehen u. Kräften eingebüßt, was ich der Arznei, die sie genommen, zuschreibe. Sie war stark mit Eisen versetzt. Du kannst Dir vorstellen daß ich bange Tage verlebt. Und dazu die Umzugssorgen, die ganz allein auf mir lagen, denn Bayard war schon weit im Westen. Hätte ich nicht so gute Freunde hier, die mir auf jede mögliche Weise beigestanden u. geholfen haben, ich weiß nicht was ich hätte thun sollen. Seit Sonnabend, wo die Sachen in s Logis transportirt wurden, war ich täglich 1 Stunde hier um wenigstens einige Anweisungen zu geben u. als wir vorgestern umzogen, waren doch wenigstens die Betten aufgeschlagen u. wir hatten Feuerung,
[page 3 (sheet 2, right-hand side):]
so daß Ida uns etwas kochen konnte. Da seit gestern ein kalter Wind bläst, habe ich Lilian noch nicht ausgehen lassen. Ich bin hier oben, in diesem Stadttheil ganz fremd u. muß erst mit den Läden etc. bekannt werden, als wäre ich in einer mir unbekannten Stadt. Um mit der Pferdebahn hinunter zu fahren in den Mittelpunkt des Verkehrs, wo ich die Gelegenheiten zum Einkaufen kenne u. viele unserer Freunde wohnen, gebrauche ich beinahe 3/4 Stunden. Von Bayard habe ich zuletzt aus dem Staat Ohio gehört. Unsere letzte Correspondenz bestand im Wechseln von Depeschen, da er natürlich in großer Angst um Lilian schwebte. Vor Weihnachten darf ich ihn nicht zurück erwarten. Vielen Dank, liebste Mutter für Deinen letzten lieben Brief. Hoffentlich geht es Dir jetzt wieder besser. Du hattest Dich doch wahrscheinlich während des Besuches aus Gotha übernommen. u. warst wohl besonders zu viel auf einmal gegangen. Ich habe mich recht gefreut, daß Hans sich die Reise gegönnt hat. Es wird ihm sicher recht heilsam sein. Von Tante Auguste erhielt ich auch einen lieben Brief. Sie
[page 4 (sheet 1, left-hand side):]
schrieb höchst befriedigt von ihrem Hamburger Aufenthalt. In meinem nächsten Brief erzähle ich Dir mehr von unserer neuen Wohnung u. von andern Dingen, heute muß ich schließen, damit der Brief mit fortkomme. Möge es Euch Allen recht gut ergehen. Lilian grüßt herzlichst. Grüße auch von mir Hans u. die Kinder recht freundlich.
Mit inniger Liebe
Deine T. Marie.
Letter metadata