Sammlung: Rustemeyer Papers

Verfasser: August Stockebrand

Empfänger: Bernard Rustemeyer

Bezeichnung: Brief von August Stockebrand an Bernard Rustemeyer, Ostern, 1920. Im Jahr 1920 fiel der Ostersonntag auf den 4. April, und dies ist das Datum, das dem Brief zugeordnet wurde.

August Stockebrand an Bernard Rustemeyer, Ostern 1920

Englischer Text

Original text

Körbecke, Ostern 1920

Mein lieber Vetter Bernardt!

Deinen lieben Brief vom 15/12 1915 nahm ich auch in den Ostertagen wieder zur Hand, und will versuchen ob eine Antwort jetzt an dich lieber Vetter zu erreichen ist, ich habe bereits 2 mal an dich geschrieben, aber ich nehme an das in folge des furchtbaren Krieges kein Brief an dich gelangt ist und so nochmals diese Zeilen Lieber Bernard vorerst will ich nochmals den furchtbaren Krieg betrachten, es ist schrecklich, daran zu denken, ich mußte 2 schon große kräftige Söhne von 25 und 27 Jahren in den furchtbaren Krieg schicken, der ältere August wurde im September 1914 zum ersten male in Frankreich verwundet das ging gut wurde wieder gesund und mußte Januar 15 dann nach Rußland wo er wieder in den furchtbaren Kämpfen bei Grottno wieder verwundet wurde zum Glück beide mal Beinverletzungen, die letzte Verwundung war ziemlich schwer aber nach nur 5 Monaten mußte er wieder fort nach Rußland und hat dann die schweren Kämpfe an den schaftsoffizier in Littauen (Rußland) und kam Januar 19 wieder zu

[Side remark in the handwritten letter:]

L.B. Entschuldige nochmals mein schlechtes Schreiben meine Augen sind nicht mehr gut. Auf Wiedersehen dein ergebener Vetter August

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zu Hause, dieser älteste Sohn war uns vor dem Krieg für das Geschäft, und was jetzt, Geschäft liegt seit Januar 15 still weil kein Roggen und Gerste mehr zum Brannt- weinbrennen frei ist, wir hatten eine große Dampf- brennerei seit 1897 und ging flott, und jetzt in folge des Krieges stillgelegt und für Jahre keine Aussicht daß wir wieder in Betrieb kommen, wir haben vor dem Kriege viel Geld verdient und jetzt haben wir noch die Landwirtschaft von 75 Morgen, wovon wir leben, doch davon noch später. Mein zweiter Sohn Ferdinand 25 Jahre alt ein stattlicher Sohn groß kräftig wohl 1/2 Kopf größer als ich in den Jahren war wie du von hier fort mochtest, dieser war ein tüchtiger Landwirt und nebenbei im Geschäft tätig, ich konnte mich ganz auf ihn verlassen, also {?war?} {?einig?} {illegible} ich konnte mich zur Ruhe setzen, lieber Bernard diesen großen Kerl habe ich nicht wieder gesehen, er ist in den Karpaten wovon du bestimmt gehört hast (gefallen) noch schwer verwundet und in Ungarn in Deberizin im Lazaret nach 14 Tagen gestorben, im Jahr 15 am 20 [?Jan?] Gott wie mag der gute Kerl gelitten haben ohne Hülfe fern von der Heimat zu sterben ich konnte es noch nicht glauben, und doch ist es war Schrecklich, den Jammer kannst du dir nicht denken und länger von Jahr zu Jahr ist der Jammer größer, aber der liebe Gott wird ihn lieb gehabt haben, den zu leben ist hier in Deutschland jetzt kein Vergnügen mehr, vielmehr eine Qual Wir sind in Deutschland arm mehr als arm Papiergeld haben wir in Hülle und Fülle aber es ist alles bis auf einen geringen Wert wertlos, nun haben wir auch noch
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[new page] noch in den letzten Tagen den Bolschewismus im Lande und hauptsächlich von hier aus, die letzten Woche haben sich schwere Kämpfe bei Hamm, im Dorfe Kalkum abgespielt in letzterem Dorfe sind am Donnerstag in 2 Stunden 300 Tote von der roten Armee gefallen, also an dem furchtbaren Kriege nicht genug, jetzt noch einen furchtbaren Brüderkrieg, oder Hungerkrieg. Die großen Städte im Industriegebiet haben fast nichts mehr zu leben, sodaß wir täglich bange sind wir würden ausgeraubt, lieber Bernard, du kannst dir kein Bild machen wie es hier in Deutschland ist vor dem Kriege alles für wenig Geld zu haben, und heute für viel Geld nichts meist noch nicht mal die notdürftige Kleidung, zu leben haben wir zwar noch alles, was die Landwirtschaft mit sich bringt, aber Kleidung und Leinen daran mangelt es uns auch jetzt, - auch Schuhe sind enorm teuer und schlecht. Nun komme ich zu meinem jüngsten Sohn selbiger war zu Anfang des Krieges noch auf dem Gymnasium in [?Brilon?] auf der Klasse prima, wollte auch freiwillig mit in den Krieg und weil noch keine 17 Jahr alt war mußte er von mir Genehmigung haben, welches ich nicht gemacht habe, dann hat er Ostern 1915 sein Abiturientenexamen gemacht und wird Doktor, wurde auch im Jahre 1916 zum Hilfsdienst eingezogen aber noch 1 1/2 Jahr auf Reklamation frei von Millitär, nun wird er im Laufe dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres fertig als Arzt, er ist ein Prachtkerl also jetzt 23 Jahr Alt wenn der Krieg nicht kam wäre er schon im vorigen Jahr fertig gewesen als Doktor, das ist nun nicht schlimm er hat ja noch früh genug, wenn uns die Ver- Verhältnisse hier erst wieder erträglich wären. Nun habe ich noch 2 Töchter wovon die älteste verheiratet ist in Minden und die jüngste ist noch zu Hause, ich und meine Frau sind noch wenn auch jetzt nahezu 63 Jahre noch ziemlich , geth ihm gut, aber auch wie uns für Geld ist nichts zu haben Hier in Körbecke hat sich ziemlich viel vor dem Krieg gebessert gegen früher aber jetzt ist alles nicht mehr du hast seinerseits von den dortigen Lebensmittel preisen geschrieben ich will dir nun mal von unsern heutigen Preisen etwas schreiben, für 100 Weizen wird bis 150 Mark und mehr gezahlt Roggen dasselbe 100 # Hafer 250 - 290 Mark für Speck und Schinken bis 30 Mark das Pfund für ein Pfund Rindfleisch 10 - 12 Mark und Sahne Butter 30 Mark und mehr das Pfund und so alles andere ein Ltr. Branntwein 40 - 50 Mark ein Anzug 1500 - 2000 Mark ein Paar Schuehe 300 - 1000 Mark du siehst Papiergeld in Hülle und Fülle aber kein Stück Gold und Silber ist mehr da, und unser Papiergeld hat bei Euch kaum Wert, ich habe mir ein Teil Gold und Silber zurückgelegt wofür heute enorme Preise gezahlt werden z. B. ein 20 Mark Stück kostet 600 Mark und mehr einen Tahler oder 3 Mark Stück 30 - 40 Mark, ich könnte dir ein Buch schreiben von Deutschland jetzigen Zuständen, ich muß für diesmal mal schließen, ich verspreche dies sobald ich von dir wieder Nachrichten habe schreibe ich dir die ersten 8 Tage wieder wenn uns sonst nichts pasiert in folge der Unruhen

Nun l Bernard möchte ich auch gerne hören wie es Euch allen geth. Hoffendlich gut. Ihr treibt wohl alle Landwirtschaft in deinem Briefe schreibst du daß Nichte Maria deine und Josef seine Frau an Reumatismus leiden hoffendlich sind alle wieder Gesund, und fehlt es Euch auch an nichts. Nun wolltes du auch wissen wieviel Krieger aus Körbecke weg gewesen sind. Das führt zu weit alle aufzuführen mit einem Wort alle Leute von 18 - 45 Jahre mußten fort wenn ihnen nicht eine Krankheit anzusehen war leider sind auch 37 oder 38 gefallen gewiß für Körbecke viel solltes du für eine oder andere Familie Intresse haben etwas zu wissen gebe gern Nachricht, du schreibst dann in deinem Brief von den Erfolgen welche die Deutschen zu Anfang des Krieges gemacht haben, ja - wir sind einfach belogen und die deutsche Kriegsführung ist zu Anfang auch nicht gut gewesen nun du wirst solches auch gehört haben, ich will davon schweigen

Nun l Bernhard will ich schließen meine Augen wollen nicht mehr. Empfange daher die Innigsten Grüße von meiner ganzen Familie. Grüße du mir alle Josef Anton Ferdinand Maria nebst Frauen und Kinder, dir lieber Bernard sende die herzlichsten Grüße von meiner Frau und Kindern besonders herzlich begrüßt dich dein Vetter

August

Bruder Franz ist bei seiner Tochter in Düren, Anton und Albert sind lange todt. Schreibe recht bald wieder und denke an uns arme Deutsche dich gern um etwas Kleidung ge-

Randbemerkungen: beten haben, aber unser Geld hat dort eben keinen Wert, wir haben Geld genug, aber alles nur Papier, dafür habt wohl ihr l Allen [illegible] [illegible] [illegible] [illegible]