Sammlung: Weinhardt Family Letters

Verfasser: Philipp Weinhardt

Empfänger: John V. Weinhardt

Bezeichnung: Brief von Philipp Weinhardt an seinen Bruder, John V. Weinhardt, 3. Juli 1927.

Philipp Weinhardt an John V. Weinhardt, 3. Juli 1927

Englischer Text

Original text

Windsheim, 3.VII.27.

Lieber Hans!

Deinen Brief habe ich erhalten und daraus ersehen daß es dir gut geht. Mit deinen Wünschen musst du dich noch ein bißchen gedulden, denn ich konnte sie bis heute zur zum Teil erfüllen.

Soweit ich Kataloge zum Beschaffen von Photo-Artikeln erhalten konnte habe ich sie dir geschickt. Den Hauptkatalog von Zeiß in Jena werde ich, sobald er eintrifft an deine Adresse absenden. Beiliegend wirst du eine Ausgabe des „Fränk. Kuriers“ finden, die einen Artikel zum Chamberlain-Flug enthält. Der Verfasser dieses Artikels, Helmut v. Mücke gehörte zu der heldenmütigen Besatzung unseres Kreuzers Emden. Er will durch diesen Artikel verhindern daß die amerikan. Gäste ein falsches Bild von Deutschland erhalten, wie es leider bei den meisten Ausländern die Deutschl. besuchen der Fall ist. Meistens besuchen diese fremden Gäste nur

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die Vergnügungszentralen unserer Großstädte sehen aber nichts von den Leiden und Kämpfen unseres Volkes, nichts von dem Terror der Franzosen im besetzten Gebiet, nichts von dem Leiden der Südtiroler, der Deutschböhmen, der Sudetendeutschen, der Ostpreußen und der Norddeutschen. Sie wissen nicht, daß nahezu 40 Millionen Deutscher unter Fremdherrschaft schmachtet. Sie wissen nicht daß in jeder Minute ihres Aufenthalts 5000 Goldmark von uns bezahlt werden müssen, daß Tausende und Abertausende ihr ganzes Vermögen verloren haben und viele Deutsche verhungert und an Auszehrung gestorben sind. Endlos ist das Lied des deutschen Leidens. Ungeachtet dessen klammert sich der Deutsche an eine Hoffnung, daß nur ausdauernde Arbeit uns retten kann, nicht kriegerische nein friedliche Arbeit. Deutschland abgerüstet und ausgesogen bis aufs Blut hofft daß auch im Ausland sich einmal Erkenntnis und Einsicht bahnbricht. Aber immer gibt es in Deutschland noch eine französische Militärkommission,

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durch die Deutschland unter ständiger Kontrol- le steht. Ich lege dir einen Zeitungsartikel bei aus dem du ersehen wie es in und um Deutschland mit Abrüstung aussieht. Ein drohendes Gewitter stand kürzlich über Deutschland während des Konfliktes England-Rußland: Deutschl. Durchmarschland und Kampfplatz. Dazu paßt dann Genf u. Locarno. So sieht es in Deutschl. aus. Hoffentl. nicht mehr allzu lange.

Bezüglich deiner Frage wie man diese Tinte herstellt teile ich dir folg. mit: Es gibt hier mehrere Rezepte. Tinte die nach dem Schreiben unsichtbar bleibt und erst nach Erwärmen sichtbar wird erhältst du wenn du Kobaltchlorur (Formel Co Cl2) als Schreibflüssigkeit verwendest. Das Rezept das wir in der Seminarschule benützten werde ich dir noch schreiben. Außerdem gibt es noch eine Tinte die nur einige Stunden sichtbar ist u. dann für immer verschwindet. Dies Rezept werde ich dir auch noch schreiben. Muß zuerst noch meinen Chemieprofessor befragen. Alle diese Tinten kannst du nachweisen, wenn du das Schriftstück mit Röntgenstrahlen durchleuchtest.

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Diese Nachweis hat den Vorzug, daß das betreffende Schriftstück vollständig unversehrt bleibt.

Bei uns ist alles gesund. Viele Grüße von Vater und Mutter.

Mit herzl. Gruß

dein Bruder Philipp

Mutter bringt mir soeben Erdbeeren von unserem Garten. Magst auch welche? Dann musst schon gleich kommen sonst griegst nichts mehr. Soll ich sonst noch etwas besorgen, dann schreibe.