Sammlung: Höfeln Family Letters

Empfänger:

Empfänger: Charlotte Fischer (von Höfeln)

Bezeichnung: Höfeln family letter, December 26, 1856, possibly written by Auguste Finckh

Höfeln family letter, December 26, 1856

Original text

Kirchheim, den 26. Dez. 1856 Meine theuerste Charlotte ! Nachdem Diesen Herbst nichts daraus geworden ist, daß ich Dir deinen lieben Brief beantwortete, habe ich mich längst auf die Christ= feiertage gefreut solches auszuführen; doch da ich mich zum schreiben setzte möchte ich deine Zeilen wieder lesen, aber in dem Couvert worin ich sie eingeschloßen glaubte ist un= versehens ein anderer Brief gesteckt worden; so beginne ich denn zunächst mit einer Schilderung unseres Befindens Die Gesundheit der lieben Mutter hat sich gottlob ordentlich er= halten, das Frühjar ist immer am übelsten bei ihr, so war es auch heuer, sie hatte damals viel Schmerzen, einmal einen ganz steifen Arm, der gottlob in wenigen Tagen wieder seine Gelenkigkeit bekam. Schwefelbäder bei H. Doctor Hauff haben der l Mutter wie schon öfters recht gut gethan. Ich habe mich gottlob fortwährend einer guten Gesundheit zu erfreuen, Zahnweh abgerechnet, was sich jedoch durch Entfernung des Störenfriedes leicht beseitigen läßt, u zum Glück hat die Rache noch keinen Vordermann getroffen, Fritz ist schon über ein Jahr bei Herrn Pfarr Gaupp in Bissingen 1 Stunde von hier diese Nähe gibt Veranlassung zu häufigen Besuchen, was besonders in Zeiten wo man etwas zu besprechen hat von Großem Werth ist, da der Bruder nun schon so herangereift ist daß er in gewißer Beziehung die Stelle des Vaters zu ersetzen vermag; ist aber ein gestrenger Herr der der Wahrheit nichts vergibt u in allen Dingen das äußer Handeln mit der inneren Überzeugung übereinstimmend haben will. Sein Amt nimmt er nun nicht mehr schwerer als der Wichtigkeit des= selben gebührt; u es macht ihm sein Wirkungskreis man= che Freude; er lernt es nach u nach recht gut umzugehen mit den [page 1, left margin:] Mit Schrecken nahm ich wahr, daß ich den Bogen falsch zur Hand genommen hatte Du entschuldigst mich [/page 1, left margin] schlichten Einfachen Bauersleuten. Vorigen Winter hatte er es recht angenehm, 4-5 seiner Freunde waren in der Gegend angestellt die denn bei uns vielfach ihren Vereinigungspunkt fanden, gelegentlich konnten die Mutter u ich einige Brocken aus ihren theologischen Ge= sprächen auffangen, u uns dran erbauen, jetzt ist der Freundes= kreis in alle Weite zerstreut. Herr Onkel Israel ist immer noch unser Tischgenosse, sein Beutel aller Münze baar, trägt viel dazu bei uns seine Persönlichkeit angenehmer zu machen, sein Gemüth kennt keine Sorgen, sein Körper hat was er braucht bleibt fortwährend kräftig, sein Geist war nie hervorragend so ist auch die Abnahme weniger fühlbar; mit Schlussen belustigt er uns je zuweilen, eine von Albershausen erhaltene Pelzkappe machte ihn überglücklich er wohnt immer noch bei der Schreinerin Tante Mine u Caroline sind abwechselnd u unsere Hausgenossen manchmal auch beide zu gleich, gegenwärtig ist es Caroline sie liegt schon über 8 Tage im Bett in der oberen Stube, an einer Gesichtsrose, durch Eigensinn großentheils selbst herbei geführt es geht aber schon wieder viel besser; ihr schwermüthiges Wesen hat eher zugenommen ja sich diesen Sommer zuweilen fast zur Raserei gesteigert, sie ist sehr schwer zu behandeln, man mag es fast machen wie man es will, so ist sie nicht zufrieden man kann sie nur aus Mitleiden Anhalten, in dem Gedanken daß Gott uns auch mit vielem Erbarmen u Verschonen trägt. Ich hab ihr diesen Winter einen Aufenthalt in Boll bei Frau Pfarrer Blumhardt ausgewirkt u Friz hat das nöthige Geld hie zu von den Stuttgarter Verwandten, durch persönliches Bitten bekommen, da hatte sie Angst hinzugehen u war nicht dazu zubringen, bis die Krankheit die Sache ohnehin aufschob; ich weiß nun nicht was weiter geschieht; ihr Schwestern hätten freilich die nächste Pflicht, vor diesen fehlt der Respekt, u so ist sie zu Hause noch weniger zu haben als irgendwo anders, überdis ist Louise gegenwärtig an einem Schleimfieber erkrankt, bekommt häufig Ohnmachten, ist überhapt zu wenig mehr fähig, Marie hat mit ihren Nerven viel zu leiden, u Mine die uns immer die liebste ist ebenfalls schwach [insertion:]ist[/insertion] u hat die beiden andern zu pflegen, du wirst es glauben daß es manchmal recht schwer ist, obgleich es keine Sache ist, mit der das Herz direkt in Verbindung kommt, zum Beispiel ist es unendlich schwerer sich zu einer Heirath zu entschließen, Du siehst aus dem bisherigen daß ich immer noch zu Hause bin, u daß ich bei dem dermaligen Stand unserer Haushaltung die Mutter nicht wohl verlassen kann. Ich hatte im vergangenen Jahr mehrmals Gelegenheit, zuerst mit einem Vetter vom Tante Rösle einem Sohn von Cammerver= walter in Leonberg der Advocat in Nürtingen ist; ich habe aber ohne langes Besinnen für diesen Stand gedankt, u Tante Rösle freilich vor den Kopf gestoßen; kaum war die Sache im Blei so ging ich zur Confirmation der Lolo nach Göppingen, so ver= anstaltete Dr Palm eine Kubelei mit einem Vetter von ihm der die Apotheke von seinem Vater in Schorndorf übernehmen sollte, es ist ein guter Mensch, still u tüchtig in seinem Geschäft aber ich konnte auch hier keine Freudigkeit gewinnen; Da starb diesen Sommer H. Apotheker Schenk plötzlich an einem Schlag das Geschäft wurde verkauft, der neue Besitzer mit gutem Prädikat, Reichthum, u sehr eingezogen lebend wurde so gleich von der ganzen Stadt mir zugedacht, da er keine Braut hatte u eine Frau braucht, die liebe Mutter war anfangs sehr erfreut darüber, wobei das hierbehalten gar gewichtig in der Wag= schaale wog, der junge Mann machte Besuch bei uns ich wurde von Klostermeiers zu einer Parthie auf die Teck eingeladen wo man sich noch mehr kennen lernen sollte, u es wäre wahr= scheinlich zu einer Vereinigung gekommen trotz dem daß ich mich nicht extra angesprochen fühlte, der Mutter zu lieb, des allgemeinen Zuspruchs wegen, da kam ein Halt wir erfuhren von ihm selbt daß er bei einem Schwager von H Professor Beck [insertion:] in Tübingen [/insertion] conditionierte, [page 3, left margin:] Des lieben Großvaters Buch mochte ich wohl auch gerne zu lesen bekommen; was machen Julie u Babette, grüße sie schön, so wie auch deinen lieben Mann [/page 3, left margin] dahin wandten wir uns, H Professor theilte uns ehrlich u offen mit daß sein Charakter ein verschrobener gemeiner sei, was uns denn in Verbindung mit einem anderen unerwarteten Zeugniß auf seinen wiederholte Anfragen auf einem nein beharren ließ, u ich dankte Gott, daß er mich vor dieser Verbindung bewahrt hatte; er weiß es recht zu machen, u ich will ihm auch in Zukunft vertrauen; auch wenn er uns unsere liebsten Wünsche versagt, so würde er solches gewiß nicht thun wenn es nicht gut für uns wäre, wenn wir gleich immer wieder und wieder an dieser Lektion zu lernen haben; so ist sie doch der rechte Trost in der Stunde der Traurigkeit u Noth, da uns unser eigenes Herz verdammt, und wir können ihm nicht genug danken daß er durch Erziehung u Unterricht solchen Saamen von früh auf in unser Herz gestreut hat, u etwa eine würdige Mutter als irdisches Vorbild an die Seite gestellt hat. Recht inniges Mitleiden habe ich mit einer lieben Freundin der schon früher erwähnten Marie Zuler Tochter des Herrn Oberamt= manns, diese ist seit kurzem Jakobs Braut, der zwar seit deinem weg gehen Stadtpfleger geworden ist, auch äußerlich vielleicht etwas mehr Ansehen gewonnen hat, im Grunde aber noch derselbe Mensch. So wie er früher bekannt war u wie du ihn vielleicht noch im Gedächtnis haben wirst, er ist dieses unschuldigen arglosen Geschöpfs nicht wehrt, das sein 19 Jahr noch nicht erreicht hat. In dieser Jugend kann man es einem Mädchen am ehesten verzeihen das von seinen Eltern auf Bälle u in Gesellschaften geführt wird, wenn es sein Ohr den Schmeicheleien eines Mannes leiht, die so fein angesponnen waren daß er endlich den Sieg davon trug, der Vater wurde von dem guten Geschäftsmann bezauberte, die Mutter bethörte das Hierbe= halten der Tochter aber das sorgfältig [?] erzogene [/?] Kind ist an ein schönes Hündchen u an einen unsoliden Mann verkauft der sie wohl äußerlich auf den Händen trägt, wo aber kein wahres Glück begründet sein kann. Schon im Feb. wird die Hochzeit sein ich werde Brautjungfer zu welchem Amt die l Mutter ein weißes Kleid als Christgeschenk gegeben hat. [page 4, left margin:] Ein Buch das uns in neuster Zeit viel Freude macht, ist das Leben und die Hausregeln des württem= bergischem PfarrersF Hattich, er muß ungefähr zu derselben Zeit mit dem Großvater Enslin gelebt haben. [/page 4, left margin] [Obviously the letter is incomplete, there is neither a greeting nor a reference to the writer of the letter]