Sammlung: Höfeln Family Letters

Verfasser: Auguste Finckh (Palm)

Empfänger: Charlotte Fischer (von Höfeln)

Bezeichnung: Brief an Charlotte von Hofeln von ihrer Cousine Auguste Finckh, 24. April 1857.

Auguste Finckh an Charlotte von Höfeln, 24. April 1857

Original text

Meine liebste Charlotte ! Wie ich hoffe ist mein Brief von Anfang dieses Jahres richtig in deine Hände gekommen, u wie ich dir schon damals schrieb erhälst Du diesen durch den jungen Hassel aus Augsburg; den seine Mutter bis Haver begleitet; vielleicht wenn Georg Hassel nicht in deine Nähe kommt, kommen Dir diese Zeilen durch die Post zu.- Seit wir uns nicht mehr mit einander unterhielten ist wohl das bedeutendste Ereigniß das uns beide gleich intressiert Tritschlers Begnadigung. Du wirst es Deiner l. Babette gewiß gönnen wenn sie wieder in die alte Heimath zurücken kann, nachdem ihr die Fremde so mancher Sorge u Noth bereitet, auf der andern Seite wird es Dir gewiß auch schwer fallen, wenn ihr schon nicht sehr oft zu sammen kommet, eine Seele zu vermißen an die Dich ein Band des Blutes knüpft, u es kommt mir der Gedanke ob die Wanderlust nicht auch Dich beschleichen werde, wohl weiß daß Du einen lieben Gemahl hast, und mit ihm aufs innigste verbunden bist, aber Deutschland ist ja auch Deine Heimath; Wie ich hoffe bist Du mit den lieben Deinigen gesund geblieben, es verlangt mich recht nach einem Brief von Dir, wie werden deine Kinderchen wohl in dieser Zeit gewachsen sein? Und Alexander wird recht gelernt haben? Und eine Magd hast Du wohl immer noch nicht? Und das Geschäft geht wohl gut? Sieh so habe ich noch viele Fragen auf dem Herzen die ich mich recht freue von Babette beantwortet zu bekommen ?- Und wie geht es Euch drüben in der alten Heimath? höre ich Dich jetzt fragen;? darauf kann ich Dir verschieden antworten; Ich will zuerst sagen gut mit Gottes Hilfe; es könnte wenigstens viel viel schlimmer sein? recht entmuthigend ist es freilich auf der anderen Seite wenn man sein ganzes Leben lang eine so gesunde Auguste gewesen ist, daß man kaum wußte was Unwohlsein heißt, u nun auf einmal einen heisern u geschwollenen Hals bekommt an dem ich nun fast 4 Monate zu leiden habe, u in dieser Zeit wenig aus dem Zimmer gekommen bin; manchmal auch das Bett hüten mußte; aber gottlob die Mutter hatte einen Winter wie noch nie, sie war so kräftig, daß sie die meiste Zeit über ohne die Hülfe einer Tante das ganze Hauswesen versorgen konnte, u dann war uns das ungestörte Beisammensein recht wohlthuend, man kommt in kranken Tagen von dem Strudel der alltäglichen Geschäfte ab u nimmt sich mehr Zeit zum Lesen u da versorgt mich dann Friz mit den Schriften alter u neuer Gottesmänner, so daß ich diese Zeit nicht für verloren achte, ob ich gleich sie mir hätte noch mehr zu Nutz machen sollen u heute geht es mir trotz dem trübseligsten Regenwetter etwas besser, so daß ich hoffen darf daß ich bald zu den Reconva= leszenten gezählt werden dürfe, an warmen Tagen darf ich in die Luft gehen, muß mich aber vor jedem kühlen Winde huten, von eine kürzlich abgehalten großen Winterwäsche habe ich nichts gesehen; wahrscheinlich werde ich aber doch in das lieblich gelegene Dizenbacher Bad in der Nähe von Gruibingen gehen müssen. ich trinke jetzt schon das Wasser die l. Mutter geht natürlich auch mit, u ihr kommt dann die Ruhe auch gut.- In Göppingen hatten die Kinder sämtlich das Scharlachfieber sind aber jetzt wieder gesund. in Zell u Albershausen ist alles wohl; heute ist der Alten Frau Tante Geburtstag sie tritt ihr 82 Lebensjahr, es wäre ihr aber zu anstrengend gewesen alle Kinder u Enkel um sich versammelt zu haben. H Onkel Israel befindet sich fortwährend wohl.- Im Garten fängt es nun auch an schön zu blühen Hyazinthen u Kaiserkronen waren lange nicht mehr so im Flor als heuer, auch haben alle Obstbäume schöne Blüthenknospen u versprechen einen reichen Ertrag wenn es Gott verhält, die l Mutter setzt immer wieder neue Bäumchen nach, auch haben wir 2 Trauben stöcke im Garten. Unser Nachbarschaft ist noch die Alte u Schreinerin die getreue Aushelferin in allen Geschäften.- Frau Pf Vintins ist den Winter in Stuttgart bei ihrer Schwester sie schrieb mir neulich, daß sie immer krank wäre u gerne wieder hieher kommen möcht Bei Pauline Clostermaier gibts als Ersatz vom vorigen Jahr ein Gedeihliches Bübchen das den Eltern besonders dem Vater viele Freude macht; er war kürzlich geschäfftshalber in Paris; Louise Bühler sei jetzt gesund u auch zufriedener mit ihrer Lage als früher, sie hat schon ¼ Jahr ein krankes Kind, daßs sehr elend sei so daß zu wünschen wäre daß es bald aufgelöst würde.- Was dich gewiß sehr verwundern wird, ist, daß Lina Kaim Braut ist mit dem Assoscie ihres Bruders H Günther Wittwer mit 40 Jahren u 6 Kinder, sie hat wohl Liebe zu diesen, ist aber erst 21 Jahre u durchaus keine Haushälterin, was am meisten getadelt wird ist, daß sie sich verlobten nachdem die erste Frau kaum 1/2 Jahr todt war, u der H Bräutigam hat noch obenen ein Halsleiden wieder an= derer Art als bei mir; die Mutter wollte es lange nicht haben, dagegen der nüchterne Bruder Franz meinte; der Platz ist gerade recht für meine Lina sie hat es bisher viel zu gut bei ihrer Mutter gehabt im Laufe des Sommers wird wohl die Hochzeit sein. Mina Tritschler scheint recht vergnügt zu sein, die Bekanntschaft des Herrn Bräutigams habe ich noch zu machen. Mir hat man selbst im Krankenzimmer nicht ganz Ruhe gelassen, aber man muß vor allen Dingen ganz gesund sein, dann hab ich besonders in dieser Zeit einsehen gelernt wie gut ich es bei der Mutter habe; doch will ich keine eigenen Wege gehen, u auch nicht ausweichen wenn der Weg den mich Gott führt auch nicht ganz eben sein sollte, Friz will mich gar nicht hergeben wir lachen ihn immer aus, wenn die Reihe des Entschließens einmal an ihn kommt, wie viele Bekenken er da erst haben wird; er ist immer noch in Bissingen, doch könnte vielleicht bis Herbst hierinen eine Veränderung ein= treten.- Durch den Tod der Frau Herzogin ist eine groß Lücke hier entstanden; das Schloß wird vor der Hand leer stehen bleiben, von den Sachen ist schon manches verkauft worden eine große Aucktion wird in nächster Woche beginnen u wohl 3 Wochen dauern die königlichen Kinder haben außer Schmuck u Silberzeug wenig behalten; die Kammerfrauen erhielten die ganze prächtige Garderobe, die gestern unvermuthet verkauft wurde, ohne daß wir etwas davon wußten, wir hätten gerne auch einiges zum Andenken gehabt, doch ist das beste Andenken ja immer ihr gesegnetes Wirken, dem jedes in seinem Theil nacheifern kann.- H Oberamtsrichter Schott, ließ sich zur Ruhe setzen u wird in wenigen Wochen nach Stuttgart ziehen man wird den liebreichen würdigen Mann in allen Kreisen vermißen H Doctor Hauff, bekam einen hohen Orden vom russischen Kaiser sowie einen Ruf als Medizinalrath nach Stuttgart lehnte es aber ab; auch erinnerst du Dich vielleicht des Do Stimmel (von uns genannt Wundervoll ) derselbe hat bei Eßlingen eine Irrenanstalt kürzlich wurde er mit dem Hofrathstitel u einem Orden beehrt, zu was es doch die Leute nicht als bringen können. Das Kind von Onkel Christian in Laufen ist zum Lateiner herangewachsen kam deßwegen in Schule u Kost zu Herrn Oberpräzäptor hieher ist dabei recht froh wenn er bei seiner Tante Trost fürs Heimweh u für den Magen findete, es kommen immer vielerlei Leute zu der Mama die alle gern einen Trost u einen Rath von ihr hätten. Ohne längst las ich einen Artikel im Sch. Merkur über die amerikanische Sonntagsfeier in den größeren Städten, worüber ich mich wirklich ent= setzt habe, ach möchtest du doch auch einmal wieder eine gute Predigt hören können seit ich es längere Zeit entbehren muß weiß ich diese Gnaden Wohlthat erst recht zu schätzen u freue mich recht darauf bis ich sie wieder genießen darf ein Ersatz ists mir inzwischen wenn Friz Sonntag Abends kommt u. uns seine am Morgen gehaltene Predigt wieder vorträgt, ich wollte du könntest auch dabei sein. Nun muß ich schließen in dem ich von allen Bekannten herzliche Grüße hinzufüge bin ich mit der Mutter u Friz in aller Liebe Deine Dir verbundene Auguste Finckh Kirchheim den 24 April 1857. Ich lege noch poetische Gedanken von Onkel von Zell bei. Recht viele Grüße Deinem lieben Mann von uns allen, u einen Kuß dem schwarz u blauaugigen Kleinen