Sammlung: Höfeln Family Letters

Verfasser: Christian Friedrich Finckh

Empfänger: Charlotte Fischer (von Höfeln)

Bezeichnung: Brief an Charlotte von Hofeln von ihrem Cousin Friedrich ("Fritz") Finckh, 16. Dezember 1863.

Friedrich Finckh an Charlotte von Höfeln, 16. Dezember 1863

Original text

Liebe Lotte! Dein Brief, den Du mir dieses Frühjahr zukommen ließest, hat mich u. die Meinigen alle recht erfreut. Sind wir Dir durch Deine Auswanderung in die Ferne gerückt u. ist auch der Briefwechsel zwischen Dir u. uns ein seltener, so hören wir nicht auf, an Deinem u. der Deinigen Schicksal innigen Antheil zu nehmen. Denn es [insertion:]sind[/insertion] ja nicht bloß Blutsbande, die uns verbinden, sondern vor Allem auch geistige Bande, Bande des Glaubens. In dieser Beziehung war mir besonders Dein letzter Brief ein beredtes Zeugniß. Hast Du in den ersten Jahren für die Freiheitsverhältnisse in Deinem neuen Vaterlande geschwärmt u. sie als die einzig richtigen geschildert, so bist Du nun durch die Erfahrungen, die Du gemacht hast u. täglich zu machen noch Gelegenheit hast, curirt u. betrachtest nun Alles mit nüchternem Auge u. Herzen - Das war schon beim ersten Menschenpaar der Grundfehler, daß sie wähnten, bei der absoluten Ungebundenheit fahren sie gut - aber dieses sich nicht binden Wollen an gegebene Verhältnisse, an das von Gott ihnen gegebene Gebot, - war die Ursache des über sie hereinbrechenden Übels=Verderbens. Und dieses sich [insertion:] Nicht=[/insertion] Fügen=wollen, dieses [?]Nicht[/?]=Unterthanseynwollen dem vom Gott Gesetzten ist u. bleibt bis zuletzt der Grund, weßhalb Gott fort u. fort richtet u. endlich das letzte Strafgericht an der Welt ausführt, während er andererseits diejenigen, welche Lust zur göttlichen Wahrheit haben u. sich derselben im Gehorsam unterwerfen u. ihr raten ihren An fechtungen Leiden [?]mitten unter einem[/?] [illegible] Geschlecht treu bleiben, endlich erlöst von allem Übel u. ihnen [illegible] zu seinem unvergänglichen Reich. Darum sei u. bleibe dieß unser Streben, uns an der in der Schrift gegebenen Wahrheit zu weiden, u. ihr mehr u. mehr unterthänig zu werden, dann retten wir unsere Seele u. auch unseren Leib für die neue Welt, in welcher die Gerechtigkeit herrscht. Aber eben dieser Gehorsam des Glaubens wird in dieser unserer Letzten Zeit, wo neben dem Unglaube auch der falsche Glaube mit seiner Wundersucht u. seinem Große=Thaten=Thun =Wollen sich ausbreitet, immer schwieriger zu behalten u. durchzuführen seyn, u. nur den Blick auf die künftige Herrlichkeit wird die Treuen, die aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret werden zur Seligkeit, im Feuer der Trübsal retten bis zur Wiederkunft des Herrn, wo sie ihn sehen dürfen von Angesicht zu Angesicht u. sie sich freuen mit unaussprechlichen u. herrlicher Freude. Um dieses herrlichen Zieles willen trägt das wahrhaftige GottesVolk seine Lasten gern wenn es einem im einzelnen Fall auch oft schwer wird, u. es tägliche Selbstüberwindung kostet, daß man wie andere seine Hand ausstreckt nach der Ungerechtigkeit. Auch mir ist nicht wenig aufgelegt, wenn ich meine Lage mit der mancher meiner Altersgenossen u. Freunde vergleiche. Die Meisten meines Alters haben bereits eine feste Stelle, seis als Pfarrer, seis als ständiger Ver= weserer Ich dagegen muß immer noch [?]warten[/?], komme seit den 2 letzten Jahren je auf 4 Stellen [insertion:]u. bin seit 10 Jahren auf 14 Stellen gewesen.[/insertion] Zu Anfang des Jahres 63 war ich [insertion:]als Amtsverweser[/insertion](in [?]Zainingen[/?]) auf der Alz, 5 Stunden von hier, von dort kam ich nach Wendlingen, wo im Januar Pfarrer Flatt gestorben war. Dort fand ich auf 8 Monate Ruhe u. hatte auch das Vergnügen, meine Mutter 2 Wochen als Haushälterin bei mir zu haben. Im October kam ich abermals auf die Alz in die Gegend von Geislingen ob Göppingen u. übermorgen ziehe ich nach [?]Grözingen[/?], wo der Pfarrer vor 14 Tagen gestorben ist. Dort werde ich etwa 6 Monate bleiben dürfen, bis die Wittwe abzieht. Es ist mir lieb, daß ich dort wieder in einer Familie bin, während ich vorigen Winter einsam in einem Hause lebte u. oft nur die Mäuse zu Gesellschaftern hatte. Auch habe ich von dort aus Gelegenheit, die Tanten in Nürtingen, die eben immer leidend sind - namentlich T. Marie, welche auszugehen scheint - zu besuchen. - Die l. Auguste [insertion:][right margin, rotated 90 degrees, from bottom to top] Der Mann der Auguste ist solid u. von gutem Charakter. Das Geschäft geht weniger als zu wünschen ist. [/insertion] ist wie Du wohl weisst, Mutter von 3 Kindern geworden - die 2 älteren sind Knaben. Das jüngste ein Mädchen, es wurd am Ostermontag geboren u. war den Sommer über kränklich. Seit Herbst gedeiht es - es heißt der Mutter nach: Johanna. Auguste hat eine sehr unruhige Haushaltung, 2 Mägdt, einen Gehilfen u. einen Lehrjungen [insertion:]zu versorgen, dazu noch einen grossen Garten zu bebauen[/insertion] - daher sie nur zu den nöthigsten Briefen kommt, u. Du [?]ihr[/?] ihr Stillschweigen nicht übel nehmen mußt darfst. Daß die l. Mutter von Zeit zu Zeit sie auf ein paar Monate besucht, ist ihr Freude wie Erleichterung. Sonst in der Familie hat es auch etliche Veränderungen gegeben. Fritz Mauch hat Oncles Apotheke übernommen u. dazu die Tochter Lollo zur Frau erhalten - u. ich bin bereits Gevatterman geworden. Dieses Frühjahr wurde ihnen ein nettes Knäblein Theodor geboren, u. gedeiht prächtig. [illegible] - Theodor Mezger hat Pauline Dietrich geheiratet u. ist Pfarrer in Auendorf [?](Ganslohen)[/?] Aber während die Jungen sich verbinden u. mehren [insertion:]altern u.[/insertion] sterben die Alten dahin. So ist diesen Sommer Frau Mezgerin in Mezingen nach 2tägiger Krank= heit gestorben. Die alte Frau Tante, die Mutter des Oncles in Albershausen, die seit dessen Tod in Plochingen wohnt, u. jetzt in 88ten Lebensjahr geht, ist seit 14 Tagen schwach, daß man in diesem Winter ihrer Auflösung entgegen sieht. Oncle von Faurndau war in letzter Zeit auch wieder von einem Gichtanfall im Knie heimgesucht. Auch meine l. Mutter spürt das Alter, indem sie Alles mehr angreift. Sie hat den Wunsch, mich noch ins Eigenthum kommen zu sehen. Bis ich eine Pfarrei erhalte, stehts freichlich noch 3 Jahre an; eine ständige Verweserei könnte ich im Laufe des Jahres 64 erhalten. Vielleicht finde ich bis dorthin dann auch eine Lebensgefährtin. Daß ich bis daher nicht versprochen war, war nur gut für mich, da nach vielfacher Erfahrung eine Brautschaft im Amte hindert. Deine Babette habe ich vor 4 Tagen auch gesprochen. Sie läst Dich fragen, ob die Photographien welche sie in einem Briefe geschickt, richtig angekommen seien. Sie hat gegenwärtig eine doppelte [?]Werte[/?], nemlich nicht blos das kleine Kind der Mine, sondern auch ihren kranken Schwieger= vater zu versorgen. Er hat sich durch einen Gang auf den Dettinger Markt verderbt.u. Sein Tod würde ihr freilich eine Verändrung bringen, die sie u. ihre Marie aus ihrer jetzigen Ruhe herausrisse. - Wie es nur Freude war, aus Deinem Brief zu vernehmen, daß Du Deine Julie zu Dir genommen hast, so auch diß, daß sich Deine Schwester Deiner in Deinem letzten Wochen= bette so freundlich sich angenommen habe. Einander zu dienen, sich unsrer gegenseitig anzunehmen wo das Andre uns bedarf, das ist wie unsere Pflicht, so auch Seligkeit. Röm 13, 8. Jak 2,25. u. das müssen [insertion:]wir als[/insertion] eine unserer Hauptpflichten achten, unseren großen Herrn u. Meister in der Dienstfertigkeit gegen Andre nachzufolgen. Er ist ja nicht gekommen, daß er ihm dienen lasse - sondern daß er selber diene [?]ich[/?] die von Gott ihm verliehenen Kräfte zum Besten Andrer verwende u. er hat gedient mit sich selbst verleugnender Hingabe u. Aufopferung, [left margin, rotated 90 degrees, top to bottom] Oncle Carl ist Kunstgärtner geworden; er betreibt dieses Geschäft in seinem im Garten neu erbauten Hause. Rosa ist seit 3 Jahren an Pfarrverweser Teichmann verheirathet u. hat auch einen Knaben geboren. hier mit Vergießung seines Blutes u. hierin ihm ähnlich zu werden, muß unser uns Leben u. Freude seyn. [thick stroke] Schickst du einmal eines deiner Kinder zu uns heraus, so will ich ihm, wie es meine Umstände gestatten, nach Rath u. That an die Hand gehen Solange ich noch so wandre, konnte ichs nicht. Und nun lebe wohl Liebe Lotte u. sei [insertion:] mit Deiner Schwester u. deren Johanne, wie mit Deinem Andreas[/insertion] von mir, meiner Mutter u. Tante Kreuser bei der wir nun in die Kost gehen, sowie von Deiner Babette herzlich gegrüßt von Deinem tr. Vetter Fr. Finckh Liebe Lotte! Auch noch einige Zeilen will ich beisetzen, es freut uns durch Babete immer auch etwas von Dir u: Deiner Familie erfahren zu können, ich möchte Dich nur auch sehen als [illegible]frau u: Mutter wie Du so praktisch geworden bist, auch schon viele Erfahrungen gemacht hast. Ich bin eine Pilgerin, habe keine bleibende Hütte. bin Ubermorgen wieder reislustig nach Schorndorf zu gehen; Heinrich u. Theodor lassen die Auguste immer schreiben, die Grosmutter soll bald kommen, sie wollen lieb sein, es ist mir aber bei 3. Kindern zu unruhig, im Alter kann man den Lärmen nicht mehr ertragen, doch will ich Dis mal noch auf die Feiertäge gehen, die kleine Johanne, sey ein liebes Kind, es sitzt anfangen, tragen kann ich es nicht mehr. Nun lebe wohl liebe Lotte! Der H. sey mit Dir, u: uns Allen, wann wir uns hienieden auch nicht mehr sehen, so soll unser streben dahin gehen, daß wir uns dort sehen, wo keine Entfernung, kein Leid, kein Schmerz, keine Sorge mehr ist, dahin soll unser Auge unter den Mühen dieses Lebens gerichtet sein, um zu den Unserigen wieder zu kommen, diß ist auch mein höchster Wunsch. Herzlich mit Dein l. Mann, Schwester Julie, u: Johanna gegrüßt Deine Dich liebende Johanna. [left margin, rotated 90 degrees, from top to bottom] Zur Erziehung Deiner Kinder habe ich unter Kreuzband 2 Schriften eines von Zeller die Kleinkinderpflege in leibl u. geistl Beziehung nun anderes von Pf. Lämmert auf die Post gegeben. Die Briefe richte immer nach Kirchheim.