Sammlung: Höfeln Family Letters

Verfasser: Babette Fischer (Tritschler)

Empfänger: Charlotte Fischer (von Höfeln)

Bezeichnung: Brief an Charlotte von Hofeln von ihrer Schwester Babette Tritschler, 27. September 1870.

Babette Tritschler an Charlotte von Höfeln, 27. September 1870

Original text

Kirchheim d. 27 Sept. 1870 meine l. theure Schwester ! Deinen l. Brif erhielt ich am 21 Tag nach der Absendung mußte mich wundern daß derselb. doch so bald hier war wegen der Blockate zu Wasser Eure liebevolle Theilname daß Ihr uns aufgenommen hättet auch wenn wir nun Alle gekommen wären thut mir u. der l. Marie sehr wohl, doch dem höchsten Lenker auch der Krige sei tausend Dank gesagt daß unser deutsches Land nicht der Schauplatz des Kriges wurde und unser verbündetes Heer von einem Sig zum andern gelang te, aber welch große Opfer hatt es schon gekostet u. wie viel Blut ist gefloßen, alle verheuratheten Männer bis zu 28 jahren sind einberufen worden das hießige Schloß ist in ein Lazareth umgewandelt worden wenn eine entlaßen sind als genesen kommen wider andere Verwundete nach, überal haben sich Sanitätsvereine gebildet, man arbeitet z. b. hier die Frauen u. Jungfrauen v. der Paulinen pflege da werden Hemden Binden Beinkleider u. was nothwendig ist verfertigt auch gab jeder was er nur auftreiben konnte schöne Gaben an Geld Weiszeug Betten Leinwand u. das geht immer noch fort den es kann noch mehr Blut flißen es steht nun das große deutsche Heer vor Paris die Republikanische Regirung will die Fridensbedingungen nicht erfüllen, aber [left margin, rotated 90 degrees, top to bottom] es folgt der Anfang vom vorigen Brif der Wind hatte mir das Blatt ohne mein wissen unter den Sopha genommen find es erst am Samstag [rotadet 90 degrees back, left to right] nachher mir scheint daß sowohl den Soldaten als dem Volk die Augen aufgehen werden und den Kampf werden nicht länger fortsetzen wollen den das wäre ein unnöthiges Blutvergißen, doch der Herr wird es machen daß die Sachen gehen wie es heilsam ist seine Gerichte sind endlich hereingebrochen seine un= endliche Langmuth die Er mit der verdorbenen Menschheit hatte hatt ihr Ende erreicht so lese ich in der Süd= teudschen Warte, u. andere Schriften die Zeit sei schon sehr nahe gerückt daß wir noch recht vieles erleben könnten der Herr möge uns stärken daß wir Ihm treu bleiben damit es nicht heißt ich kenne Euer nicht! Nun l. Schwester habe ich dir freudiges aber leider auch trauriges mitzutheilen: Die Marie ist seit acht tagen vergnügte Braut und hatt einen braven Mann nach ihres herzens Neigung gewählt. Er ist hier erster Institutslehrer mit diesem Institut ist auch eine Pasion für aus wärtige Töchter verbunden bis zum 18 Jahr bleiben dise sie l[e]rnte Ihn diesen Winter kennen die hießigen Mädchen namen bei Ihm Singstunden da haben Sie sich kennen lernten als Er sie das erste mal sahe habe Er gleich bei sich gedacht das muß deine Frau werden wenn sie dich nimmt. Er habe nicht gewußt wer sie sei Er hatt auch diesen Winter u. frühjahr mit andren Musikalischen freunden einige Conzerte hier veranstaltet worüber er sehr belobt wurde den Er ist sehr weit in der Musik u. im Clavier woran die Marie große Freude hatt, durch den Krig hatten natürlich diese Abendunterhaltungen ganz aufgehört da hatt Sie Ihn zufällig eines Abends unterwegs getroffen u. fragte Sie ob sie der Mutter noch nichts davon gesagt habe u. daß er mich so gerne besuchen möchte, da hatt Ihn Fr. Gmelin eines Abends und auch uns eingeladen, wo Er einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht hatt von dort an habe ich Ihm erlaubt daß Er uns hie und da abends besuchen könne welches Er natürlich gerne that und so ist es dann bald richtig geworden den ich konnte es nicht mehr aufhalten ich sahe es anfangs ehe ich Ihn kannte gar nicht gerne u. vermid absichtlich gelegenheiten wo Er war in dies er Zeit hatte Sie auch noch verschidene An trage wo es nach dem äußeren glänzender geschinen hatt auch zu letzt noch hätte Sie einen Apotheker in Glarus in der Schweitz hei= rathen sollen der ist ein Sohn von des hißigen postverwalters Greiner der Vater ein Bruder von der Frau Amtspfleger Hirzel welcher der Pfleger von Marie ist unter diesen zwei war also zu wählen der Apotheker hatt eine heisere Stimme welche nicht mehr hell wird ein Stimmband soll Lahm geworden sein in einer enwicklungs= Krankheit so sagte die Mutter aber andere sagten es komme von frühzeitig lüderlichen Lebenswandel her auch hatt er Er einen Pa[r]tner doch das Haus hätte er allein übenommen auch sei es dort so sehr schön die Eltern hier hätten es so gerne gesehen Du kannst Dir denken was ich für einen Kampf durchzumachen hatte die Marie hatt eben gesagt die laute Stimme ist doch ein Hauptorgan bei einem Manne unter den vielen die Sie hätte nehmen sollen solle Sie einen nehmen dem dieses ermangle der Lehrer hatt natürlich eine schöne und angenehme Stimme und so wurden eben der letztere der Erwählte die ausrede war daß Sie diesen schon länger im herzen habe, als der Antrag kamm dachte sagte ich zur Marie ich meine der l. Gott zeige uns diesen Weeg in die Schweitz denn ich wäre so gerne von hier for[t]gezogen seit den verschidenen Anträgen so sie abgewisen hatt namentlich conditor Huttens lassen es uns jetzt recht fühlen die meinten es soll u. müsse sein, daß Marie ihren Heinrich nehme der schon 34 jahre alt ist und nun eine Säg u. Oehlmühle gekauft hatt da sahe ich gar deutlich daß das Geld die Haupt= sache war nun habe ich gehört sie seien recht böse die Marie hatt in keine [insertion:]so[/insertion] unruhige Haushalt ung mehr wollen dieser Hutten ist zwar ein gutmüthiger Mensch hatt aber nichts an= ständiges u. trinkt gerne sein Beruf ist der Art daß Er oft vom Hause fort auf dem Einkauf ist und eben immer mit bauern und handelsleuthen zu verkehren hatt auch manchen Rausch trinkt, auch hatt Er ein Kind in Plochingen, von diesem Manne weiset mann nichts derartiges Er war 8 Jahre als [?]Simenar[/?] Lehrer in Esslingen dort habe ich mich bei einem altern bekannten Lehrer erkundiget hauptsachlich nach seinem Carackter wo ich nur gutes hörte auch daß Er sehr [?]Solut[/?]sei, Er hätte in Eßlingen aus den besten Familien Frauen haben können 5) auch hatt Er Gottesfurcht das darf man gegenwärtig hoch anschlagen bei den männern den der Unglaube ist allgemein doch muß ich sagen daß bei uns die Leuthe doch etwas mehr zu Gott zurikgekommen sind durch diese Krigsgeschichten in der Woche werden im ganzen Land 3 mal des morgens um 7. Uhr betstunden gehalten wo in der Regel über einen Psalm davids gesprochen wird sich viele Zuhörer einfa[n]den. d. 9 Okt. erst heuthe l. Schwester kann ich meinen Brif vollends ausschreiben da ich auf Nachrichten aus Nürnberg warten mußte um dir das traurige von dorten ausführlich mittheilen zu können, den unser l. einziger Bruder ist in der Nacht vom 18 auf den 19 Sept. verunglükt in der Peeg= nitz ertrunken ach! wie schrecklich auf solche Art den Bruder zu verliren ich muß immer für seine arme Seele um Gnade zu dem Herrn flehen wenn er auf dem Kranken bette gestorben wäre wäre es weit leichter für uns, am anderen Tag erhielt ich die Trauer Botschaft der Wilhelm hatt geschriben: mit blutendem Herzen die betrübte Nachricht, daß gestern unser heis ge liebter Vater durch einen unglüklichen Sturz in die Pengnitz den Tod fand. Ein Glas Bir das Er zu viel getrun= ken hatt Ihn in der Dunkelheit auf einen Irweg geführt (ich muß das auch bezeugen daß es an diesem Abend bald stockfinster war) dan schreibt Er weiter Unser Alles unser hochstes Gut haben wir verloren, die Mutter, trostlos. am Mitwoch den 21 Nachmitag findet die Beerdigung statt. Trauert mit uns [insertion:] 21 war meines Mannes Todestag[/insertion] Euer tiefgebeugter Neffe Wilhelm Fischer. es ist ein großes Glük für die Schwäghe rin, daß Sie einen so braven Sohn hatt Er ist sehr geschikt u auch recht brav, ich glaube nicht daß er sich einmal betrunken hatt, du kannst gar nicht glauben wie die Familie aneinander atagirt es hatt nur eins für das andere gelebt die Schwägerin war so auserordentlich für unsern Bruder besorgt auch abwesend hatt Sie Ihn auf Schritt u. Tritt begleitet auch war Sie stehts bange Er komme nicht mehr nach hause, den Er arbeitete so fleißig oft bis in die Nacht aber dann machte Er noch häufig [?]g[/?] einen weiten Spazirgang oft bis nach Fürth welches ihm gesundheitshalber sehr dienlich war, ich und Marie haben am gleichen Tag auf den traurigen Brif den zurikgebliebenen unsern großen Schmerz über den großen Verlust ausgedrükt der Brif sei angekommen in der Stunde der Be= erdigung, es ist mir aber zu schreklich l. Schwester die Art des Todes, daß es der l. Gott zugelassen hatt, die finstren Machte haben Ihn irre geführt weil er nicht auf den weegen des herrn gewandelt hatt das bezeugt dieser letzte Tag seines lebens im übrigen war ein guter braver Mann das sagt die Marie immer die hatt ihn sehr lieb gehabt aber dieses reicht nicht aus der Herr will sein Theil an uns haben der die Menschen mit seinem Blut erlöst in desen Hände wir alle Alle fallen u. was wird es sein das du bereitet hast ---- in den zweiten Brif der vor ein paar Tagen kam wird das nähere mitgetheilt: daß der Bruder an diesem Sontag mit seinen Kindern auf den Moritzer Berg gehen wollte, welcher Ausflug aber durch Regen vereitelt wurde dann habe er gearbeitet bis 3 Uhr nach diesem sei er an das Clavir gesessen und habe seine lieblingsstükchen gespilt dan habe er sich angezogen u. sei noch auf den Kleishammer gegangen habe Adieu gesagt und ich komme schon bald wider, aber die ganze Nacht haben Sie in größter Angst Er ist eben nicht gekommen bis morgens um 8 Uhr die Nachricht kam bei der Hadermühle habe man Ihn aus dem Wasser gezogen die Hände habe Er empor gestrekt, dann kam ein Mann vom Kleishamer der Erzählt, daß Er dort 2 neue Uhren verkauft habe und dafür 25 f eingenommen (dieses Geld hatt man bei Ihm gefunden) [here the letter ends abruptly without a closing phrase or a greeting]