Sammlung: Höfeln Family Letters

Verfasser: Babette Fischer (Tritschler)

Empfänger: Charlotte Fischer (von Höfeln)

Bezeichnung: Brief an Charlotte von Hofeln von ihrer Schwester Babette Tritschler, 4. Dezember 1871.

Babette Tritschler an Charlotte von Höfeln, 4. Dezember 1871

Original text

Kirchheim d. 4 Dec. 1871. Liebe theure Schwester! Liebe theure dir zu schreiben ist mir schon lange ein großes Anli= gen allein Du wirst mich entschuldigen wenn ich Dir sage daß ich schon am 18 Okt. eine Enkeltochter bekommen habe vorher war ich jeden Mitag bei der Marie half ihr die kleine Aussteuer helfen nähen und besorgen an genanten Tag kam ich wider zu ihr um helfen zu arbeiten da sehe ich gleich daß sich anfangs wehen eingestelt hatten, bis abend ½ 6 Uhr war das kleine gluklich zur Welt gekommen, ich m[u]ßte den herrn loben u. danken daß Er so gluklich durchge= holfen hatt den mir war bange darauf es war ein kleines Kindchen aber es ist sehr gedeilich bekommt nichts als Muttermilch woran die Mutter Uberfluß hatt letzten Donnerstag war die Taufe im Hause ich und sein Vater hoben es zur Taufe es erhielt den Namen Johanna. es ist dieser Name häufig in unserer Familie deine Schwiegermutter hieß so der Grosvaters Sch[illegible] [ink spot] Sr Schotting Pfr. Finckh, der Julie Tochter, der Vater wolte eine Maria aber der Marie gefiel dieser name besser mir gefällt er auch gut ich bin erst seit heuthe den ganzen Tag daheim und fühle mich auch wider ganz zufriden nach dieser Unruhe in mei= nem stillen Stübchen. Die Marie hielt ihr Wochenbett im Gastzimmer welches sich am besten da es am weitesten vom Wohnzimmer entfernt und sehr ruhig war dazu eignete da durch gab es aber für mich sehr viel zu laufen in die Wohnstube m[u]ßte ich durch den Palox und durch das Schlafzimmer gehen auch war es weit in die Küche, den Tag durch wurde ich sehr Müde und bei der Nacht wenig Ruhe in den ersten Wochen mußte ich oft recht wundern wie ich mich jeden Morgen wider so gestärkt fuhlte wenn ich auch nur ein paar Stunden geschlafen hatte, der Herr hatte mich handgreiflich zu dieser Arbeit gestärkt Ihm sei Ehre und Dank dafür Amen. Die Marie ist aber auch recht lieb und dankbar für jeden kleinen Liebesdinst gegen mich gewesen ich hätte auch gar keine Ruhe gehabt wenn ich es nicht selbst hätte thun können. Es ist nur so leid l. Schwester daß du so schwächlich bist und im Magen zu leiden hast, wenn ich doch nur in deiner Nähe wäre dass ich dir beiste= hen könnte den du lässt dir zu wenig Ruhe das weiß ich schon ich rathe dir den Magen recht warm zu halten mit guten Wissky einreiben und eine wollene Binde herum, hir haben auch gar viele Menschen Magenleiden werden aber oft alt dabei die Photogr[a]phie des l. Alexanders war uns allen recht intressant, und lieb Er hatt in den zügen große Ahnlich= keit mit Dir ein guter Carakter siht aus dem etwas ernsten Angesicht dagegen erhältzt du das Bild der l. Marie und ihres mannes. Es ist eine große Freude für Euch Eltern daß dieser l. Sohn jetzt schon das beste Theil erwählet hatt und ein Jünger des Heilandes geworden ist der Herr wolle Ihn bewahren vor allen Sünden und den giftigen Pfeilen des bosewichts der so ungerne zugibt daß ihm eine Sele hinaus kommt Deiner l. Pauline wird der längere aufenthalt auf der Farm gewiß gut bekommen sein, wie geht es den bei ihr mit den Ärmchen kann Sie es noch nicht gebrauchen ich denke es könnte doch almälich wider besser kommen. Daß bei Euch alle Lebensmittel so billig sind mußte ich mich hoch verwundern bei uns ist gerade das Gegentheil es ist schon lange Alles viel theurer als früher wo man noch keine Eisenbahnen hatten aber nun kommen noch die Nachwehen des Kriges dazu den sehr vieles geht nach Frankreich die Leuthe wo der Krigsschauplatz war mußten sich wider einrichten besonders geht vieles Vieh fort und da bei uns diesen Sommer vieles Futter ge= wachsen ist behalten die Bauern das Vieh daß die Metzger fast nichts bekommen kaum Schweinefleisch und Ofleisch kosten per [Pfund] 21x der Butter 32 bis 34x Obst hatt es heuer in Würtenberg fast gar keines gegeben das Mehl ist [?]auch[/?][almost no ink visible] theuer heuer f 15 per Cent. ich muß mich arg zusammen nehmen um durchzukommen. 5) In den Blättern las ich daß das Obst und auch Wein in Amerika gut gerathen sei auch daß die Hitze so aus erordentlich groß gewesen sei da habet ihr viel auszustehen gehabt du hast das Fiber so viel ich mich erin= er gar nicht gehabt da wird es viel Fiberkranke in den wasserreichen Gegenden gegeben haben auch lasen wir von schrecklichen Wald u Präryen bränden in folge der großen Hitze von Staate Wisskonsin Mitschiken Minesota wo so sehr viele Menschen und Vieh sollen umgekommen sein das sind straf= gerichte von oben dan noch der entsetz= liche brand von [roman:]Chigago[/roman] ach wie furchtbar ligt die Hand Gottes auf diesen Menschen in den Berichten hieß es daß mann die mächtige Hand des höchsten wahrnehmen mußte daß sich so ein mächtiger Sturm erhob der die Flammen auf die entferntesten Stadtheile übertrug aber schon ein paar Wochen nachher las man daß die Kaufleuthe ihre Firmen schon wi= der auf dem Schutt aufgepflanzt und daß in kurzer Zeit die Stadt sich wider erholen werde man [illegible][paper fold] auch in ganz Deutschland für die Ab= gebranten schreibe mir doch auch etwas über dieses Unglik Alles Ach wie viele Menschen haben da auf jemerliche Art ihr leben eingebüßt der Herr spricht laut mit den Men= schen aber Sie lassen sich seinen Geist nicht mehr strafender Glaube an den herr und Schöpfer hatt bei vielen ganz aufgehört Sie wollen dem herrn seiner göttlichen Eigenschaf= ten so viel als möglich absprechen Jesus war blos ein fromer tugend hafter Mensch so gar ein Musterbild über ihn für den Sohn Gottes zu halten wäre lächerlich. Es ist doch ein merk= würdiger Zufall oder mehr als Zufall daß Euer Prediger gebürtigen Bempf= lingen seine durch die gnade Gottes und unsers Grosvater hatt ohne Zweifel den guten Samen in sein Herz der nun Früchte trägt ich beneide Dich l. Schwester um den geistigen Umgang der Dir unter diesen Bekehrten Men= schen zum Seegen wird aber sie ha= ben doch unsern rein evangelischen Glauben? oder sind es Metotysten man wird wahrscheinlich auf den Knien beten welches ganz recht ist das thue ich jeden Abend vor schlafen gehen das hätte man bei Revormation bei behalten sollen unser Herr hatt wo man vom Leben von Ihm ließt vor seinem him- lischen Vater hingeknit wir haben gegenwärtig einen vom Geiste Gottes erleuchteten Helfer dieser hatt Gestern Mitag am 1 Advent eine salbungsvolle Predigt gehalten er meint daß die Menschheit dem Antichristenthum huldige und der Abfall vom wahren Christen thum eine bedeutende höhe erreicht habe auch nicht viele Gegenden mehr sein wo das Wort vom Kreutz nicht geprediget werde der Mensch der Sünde und [insertion:]das Kind[/insertion] des Verderbens bilder an dem Tag oder öfentlich ist retten werde ehe man es sich versiht und somit auch die zweite Zukunft des herrn nicht mehr weit enf= ernt sei welcher wichtigen Zeit sehen wir engegen u. was wird Alles auf die Gläu bigen warten aber der Herr ist treu und barmherzig Er wird uns stärken und bewah= ren vor dem Argen und uns bevestigen in unsern allerheiligsten Glauben. Ich lese die Süddeutsche Warte von Paulus und Hofmann in der Reichsposaune wirst Du auch schon Artikel gelesen haben. Sie haben eine Niderlassung in Palestina gegründet und es scheint der herr ist mit Ihnen in geistiger Weise und fordert auch das Werk ihrer Hände die Gesellschaft heißt der Tempel [insertion:]ü. [/insertion] die herzen der Gläubigen wolle der Herr seinen Tempel aufrich= ten um darinnen wohnung zu nehmen u so können die Menschen nach und nach wider zum Ebenbild Gottes zur voll= komenheit gelangen auch wollen sie den sichtbaren Tempel in Jerusa= lem wieder aufrichten, mit ersterem kann ich nicht [?]überein[/?]stimmen den so lange der Satan noch auf der Welt herscht wird er noch Macht über die Herzen der Menschen haben, der Herr hatt das unternehmen dieser Gesellschaft seither sichtbar gesegnet, Herr Hofmann welcher vor ein paar jahren mit seiner Familie und noch einigen person den Anfang zur übersidlung in das heil Land machte ist der Bruder des Oberhofprediger Hofmanns in Berlin durch diesen den stehen sie unter Preusischen Schutz & hatten Empfehlung an den Türkischen Consul an die türkische Regirung durch deren Wohlwollen sei eine große schenkung Land am berge Carmel erhielten wo sich nun die Leuthe ankaufen können, es sind nun schon ein paar hundert Würtemberger mit ihren Familien dort eingewandert: 9) es sind meistens Landleuthe welche auch zur Cultivirung des Bodens am tauglich= sten sind. in Jerusalem steht auch ein Mitglid der Tempelgemeinde welcher eine Gemein= de dort gebildet hatt auch hatt man auf befehl der Türkischen Regierung bereits den Plan zu einer Eisenbahn von Jaffa nach Jerusalem entworfen auch[?]wohnen[/?] manche reiche Juden anstellen bis jetzt in der stille nach dem hl. Lande überzu= sideln so daß ich un[e]längst in einem Bericht aus Frankfurth das kann wohl auch aus materiellen Gründen geschehen doch sehe ich dieses Alles für große Zeichen der Zeit in der wir leben nun muß ich aber da abbrechen obgleich ich noch viles wüßte. Die Frau [?]Pfarr.[/?] Finckh ist immer noch in Schorndorf ihr Tochtermann wird sich bald wider verheirathen dann bleibt sie natürlich für immer hir. Das Marile Mauch eine Tochter von Carl. M. hatt sich anfang dieses jahres an einen Lehrer an einen Landwirthschaftlich Institut in Walds= huth in der Schweitz angestelt diese hatte im August eine recht ängstliche Geburt durchzumachen ihr Mann mußte eine wissen= schaftliche Reise machen da schickten ihr die ältern eine jüngere Schwester damit sie nicht ganz alleine war ihr Mann war noch gar nicht lange fort. bekam [left margin, rotated 90 degrees, top to bottom] für deinen letzten l. Brief mußte ich 34x bezahlen weil er zu dick war Sie ausbrechende Geisther das ist in solchen umständen ganz da sei das einzige Mittel eine künstliche Entbindung dieses hatt man mit ihr vorgenommen ein ganz bewußtlosen Zustand den Mann und ihre Mutter wurden per. Telegraph berufen da war dan schon ein lebendes Kind da welches aber die Mutter nicht sahe ihren Mann nicht erkannte doch kam nach und nach das Bewußtsein wieder und na= türlich auch die Freude an ihrem Kind Sie konnte gar nicht begreifen wie es zuge= gangen daß Sie auf einmal ein Kind habe Ich kann Gott nicht genug danken daß die Entbindung meiner l. Marie so gluklich vo= rüber ging. Herrn Schwab habe ich diesen Sommer ein Faß guten Wein geschickt von meinem eigenen kleinen Vermögen habe ich 1868 den Wein süß angelegt der recht gut geworden ist und dem herrn Schöllkopf schickte ich 2. Faß jedes einen [?]Eines[/?] hatten und so mit habe ich doch so weit es mir möglich war meine Pflicht gegen diese Leuthe erfüllt, her Schwab hatt mir von einem Bade in Arkansaß geschrieben wo heisse Quellen dort sucht er heilung für seinen elenden Körper und sei auch bedeutend besser geworden er habe vor zwei jahren das Unglük gehabt daß sein Haus verbrant sei und kein die Hälfte [?]versich[e]rug[/?] bekommen nun lebe recht wohl l. theure Schwest herzl. Grüße [left margin, rotated 90 degrees, top to bottom] an Andereas Alexander und Pauline der Herr sey mit Euch auch im neuen Jahr und schenke uns seinen Frieden es grüßt u. küßt dich deine Treue Schwester B. Tritschler