Sammlung: Höfeln Family Letters

Verfasser: Babette Fischer (Tritschler)

Empfänger: Charlotte Fischer (von Höfeln)

Bezeichnung: Brief an Charlotte von Hofeln von ihrer Schwester Babette Tritschler, 9. Juni 1872.

Babette Tritschler an Charlotte von Höfeln, 9. Juni 1872

Original text

Kirchheim d. 9 Juni 1872 Meine l. Schwester Dem Herrn sei tausend Dank gesagt daß ich nun weis daß du nicht krank bist den so lange hast du es noch nie anstehen lassen mit dem schreiben ich weis zwar auch wie es geht durch die vielen häuslichen Geschäfte kommt man nicht dazu schon vor sechs Wochen wolte ich dir wider schreiben um dir Vorschläge zu machen wegen deinem l. Sohn da erzählte mir die Hanne du hatest ihrem Fritz auch die Photographie geschickt und dabei geschriben daß Alexander nun das Thelegra phiren lerne, deswegen unterlies ich es will dir aber nun doch mittheilen machen Am letzten Qwarthal hatte ich Wohnungs verändrung den es wurde mir gekündigt weil jemand in mein [roman:]Logie[/roman] kam der im Putzgeschäft beim Hauseigentümer arbeitet ich wohne nun bei Frau Messerschmid Erhart ihr Mann ist vor ein paar jahren gestorben sie führt den Laden fort hatt auch noch ein Specerei Geschäft daneben, da wohne ich wider über zwei Stigen habe drei Zimmer eines davon habe ich sammt [roman:]Möbel[/roman] an einen herrn vermithet. Dieser Herr [left margin, rotated 90 degrees, top to bottom] diesen Brif habe nichts bezahlen dürfen das Paappir war nicht so stark nehme nur imer das feinste Pappir wo man haben kann besucht die hißige Handlungsschule in derselben sind gegenwärtig etliche 30 junge Leuthe im Alter von 14 bis 22 jahren das ist im Enslischen hause, die unternehmer sind zwei Kaufleute auch wird außer der Buchfuhrung wird verschidenes anderes gelehrt Französches englisch, Geographie und noch mehr es sind 4 oder 5 Lehrer dabei angestellt mein Tochtermann gibt auch stunden und weil Du schreibst Dein Alexander m[u]se auch die Buch= führung lernen so dachte ich ob es vileicht nicht von großen Nutzen für Ihn wäre wenn er haussen vollends lernen würde was ihm noch fehlt in jedem Fall kostet es hier weniger als drinen Dieses Handelsinstitut besteht schon über 20 Jahre und trotz dem daß gegenwärtig in den meisten größern Stadten solche Institute gegründet werden bleibt dieses immer das erste wenn die Leuthe aus gelernt haben bekommen sie immer durch diese herrn die besten stellen ein Kurß dauert ¼ Jahr oder bleiben die Leuthe länger je nachdem es nothwendig ist ein bei mir kann er natürlich Logiren ach wie würde ich mich freuen ich wollte ihm so viel mir möglich ist die Mutter ersetzen Lernen kann er was er nur will und braucht, da stehe ich dafür an geistiger Unterhaltung fehlt es auch gar nicht im Hause des Herrn Helfers ist der Jünglingsverein am Sontag Abend auch eine Metotisten Kirche nehmlich eine evangelische, die von amerika ausgeht und unterhalten wird die hatt einen großen Zulauf ehe ich von deinem Sohne wußte daß Er nun dieses lernt, dachte ich wenn Er diese Schule hier besuche könnte Er in Ame rika auch so etwas errichten oder wenigstens in ein Bankgeschäft [insertion:]eintretten[/insertion]können die Kosten hir derartiges zu lernen sind ja gar nicht so bedeutend wenn mann die Thaler zu Gulden macht die Reiße natürlich abgerechnet aber da Er doch immer das Verlangen Deutschland zu sehen hatt würde dieser Wunsch erfüllt welches Ihn zeit= lebens ein Andenken wäre und natürlich großes Intresse hätte gebe Gott daß sich dieses mein Projeckt verwirklichte ich kann nicht aussprechen wie groß meine und unser Aller Freude wäre, aus der Pothographie des l. Alexanders habe ich so geurtheilt wie du Ihn mir geschiltert hast die Reiße würde gewiß auch den besten Einfluß auf sein stilles Gemüth haben, wenn Ihr einen gedruckten Prospeckt von dem Handlungsjnstitut haben wollt will ich dafür sorgen aber du l. Schwester müßtest dann Deinen Sohn abholen damit wir uns noch einmal sehen und sprechen auf der Welt, ich bin betrübt daß Du immer so schwach & kränk= lich bist hoffe aber da nun der Störenfrid aus dem Hause ist es werde wider besser bei Dir kommen, es ist doch fast unglaublich in welch ganz gemeiner weiße sich die Julie besonders in der letzten Zeit bei Euch betragen hatt es ist nicht anders als ein böser Geist hat wohnu[n]g in ihrem herzen genommen ach wie entsetzlich! wie hatt Sie Eure Güte mißbraucht, wenn Sie so bleibt so wird sie ein Kind der Unselichkeit oder ist schon das Gericht der Verstokung über sie ergangen, wenn sie nur täglich daran gedacht hätte wie Ihr sie gleich dem verlohrenen Sohn wider aufgenommen habt den damals war sie mehr an der Verzwei= flung hätte Sie Euch kein ungutes Wort geben sollen aber sie steckt voller Neid und Mißgunst gegen dich und mich war sie das auch immer dan wider voller Selbstsucht will sich bei andern wohl daran machen das ist ihr hir bei mir vollständig gelungen denn sie hatt mir die Liebe von meiner Schwigermutter & Kindern geraubt welches ich erst in der letzten Zeit merkte und bei meiner Rükkunft recht deutlich an den Kindern fühlte ich kann ihr jedoch auch Alles verzeihen wünsche nur daß sie vor ihrem Tod noch buße thun möge damit der Herr der Allbarmherzige ihr noch Gnade erzeigen könne aber da muß es zuvor noch hartes noch über sie kommen der Johanna hatt sie damals in den heftigsten ausdrüken über dich geschri= ben weil sie sich so trotzig benommen hatt es ist auch von Joh. undankbar sich gegen ihre Tante so zu benehmen da du ihr immer so vieles gegeben und Liebe bewisen da sie nicht lange vorher mit den Kindern da war das dir [illegible 2 words due to paper fold] & Arbeit machte Dein l. Mann hatt ihr also auch noch eine Summe Geld gegeben da hatt er ganz gut gethan nun habt ihr Euch möchte ich sagen von ihr los gekauft und auch den Mund gestopft ach wie traurig ist es wenn man froh sein muß eine Schwester sich vom Halse geschaft wo man so froh an einander sein sollte & könnte aber der [insertion:]böse[/insertion] Feind hatt sein Werk unter den Menschen ich bitte den l. Gott oft mich vor seiner Macht zu bewahren, Julie hatt mir die Photho= graphie von Joh. versprochen wenn ihr neues Kleid gemacht sei läßt sie sich Phothographieren. ich muß nur recht wundern daß sie mit ihrem 12 jahrchen Mädchen schon solche Pläne hatte. hoffe im nächsten Brif etwas von Ihr zu erfahren [left margin, rotated 90 degrees, top to bottom] er freut mich recht daß dein Schwager Franz so vorwärts kommt das würde ein schönes Haus sein lasse Ihn und seine Frau Tochter herzlich grüßen 5) Die Marie will dir auch ein Brifle einschlißen und wird dir von der kleinen Johanna mittheilen, von ihrem Gedeihen und wie sie schon Freude macht wenn ich Sie ein paar Tage nicht sehe habe ich großes Verlangen nach dem Kinde da lacht es gleich wenn ich komme und strekt die Ärmchen nach mir aus. meine Wohnung ist wol [weak ink] etwas weiter entfernt als die alte und obgleich die Lage von der alten Wohnung viel hübscher war so ist meine jetzige für mich eine einzelne Frau weit beqwemer den ich habe Alles näher beisamen nicht so viel zu putzen besonders ein recht nettes kleines Küchele welches hell und im Winter warm ist dort ich die Küche unter dem Dach da war es dunkel und im Winter sehr kalt ich hatte diesen Winter schmerzen in den glidern nahmentlich im rechten Arm daß ich ein paar Wochen nicht striken konnte doch geht es mir jetzt wider besser obgleich der Schmerz im Fuß & Arm noch nicht ganz weg ist ich bin recht froh daß es wider so ist aber nun habe ich einen Husten mit Auswurf das habe ich seit meinen Kinderjahren nicht mehr gehabt es heißt nicht umsonst mit 60 Jahr fängt das Alter an seither bin ich gebrechlicher doch das muß sein der Körper geht nach und nach seiner auflösung engegen dagegen soll der inere Mensch immer mehr genesen & und dem Herrn ähnlicher werden, dazu woll der Herr uns seines Geistes Kraft verleihen und wir dürfen nicht nachlassen mit beten & flehen. um auf das alte zurik zu kommen wollte ich sagen daß ich kein [roman:]Logie[/roman] bekommen konnte welches näher bei Schmids gewesen wäre, den diese sind immer rar besonders die von mitlerer größe da man so viele Wohnungen für die Arbeiter braucht den seit zwei jahren ist eine grose Maschinenfa[b]= rik enstanden welche 300 Person beschäfigt da werden Lokomodien Eisenbahnwagen und viele andere Sachen verfertigt auch ist eine Gißerei damit verbunden diese Fabrik ligt fast halbwegs Oethlingen somit sind auf dieser ganzen Straße herauf bis in die Stadt herein die Woh[n]ungen sind in folge Preis auch im preiße sehr gestigen auch steht der Preis von allen Lebensmitteln hoch und wird noch hö[h]er kommen Würtemberg ist durch ein schweres Hagelwetter am Pfingstag h welches sehr weit verbreitet war bis nach Hessen & Baden reichte heimgesucht worden nur acht tage nachher am Dreieinigkeitsfest zogen ebenfals sehr schwere Gewit= ter welche zum theil auch durch Hagel großen Schaden anrichteten und an vielen Wolkenbrüche stadtfanden welche große uberschwemung verursach ten & Menschleben kosteteten die Fluthen vieles werthvolle Bauholz auf dem Schwarzwald mit fort= risen von Böhmen lauteten die Berichte am schlimsten dort sind Felder und Dörfer verwüstet & viele Men= schen zu grunde gegangen, die Christen halten es für den anfang der Gerichte Gottes obgleich seit her haben wir unbeständiges Wetter und viel Regen die Leuthe konnten nicht Mähen zum Heu dörren man hofft imer auf beständiger Wetter es hätte ein reiches Obstjahr gegeben aber der große Hagelschlag hatt das meiste vernichtet es wäre kein Wunder wenn der Herr seinen Seegen zurikziht den Er uns gezeigt hatt den Sie wollen nichts mehr von Gott wissen die Kinder werden auferzogen in der Entfremdung von Gott neben den Fabricken gehen auch handel & Gewerbe die jungen Leuthe haben in den Fabricken alle be= schäftigung man kann fast keine Magd bekommen noch Laufmädchen aber bei den meisten geht es von der Hand zum Munde & an den Staat daß wenn ja eine theure Zeit oder Gewerbsstokung eintretten die Noth sehr gros würde die Arbeiter in den großen Städten machen Streikes mehr Lohn und kür= zere Arbeitszeit das las ich dieser Tage von New York da wollen sie nur noch 8 Stunden arbeiten das ist über die maßen das kommt von der [roman:]Internationalen[/roman] Gesellschaft diese ist fast über ganz Europa & Amerika verbreitet als Pariser Cumune haben Sie ein Probestück abgelegt mir graut vor der Zukunft u. die Jesuitten als Feinde des Deutschen Reiches werden diesen die Hand reichen der Herr wolte doch seine Gläubigen stärken durch seines Geistes Kraft. bis zum 12. August wird ein sehr schöner grosartiger Komet erscheinen wahrscheinlich schon früher aber an diesem Tag soll er mit der Erde in berührung kommen, viele prophezein der Welt untergang die Astronomen sagen daß wir eine sehr große Hitze im August bekommen werden es soll noch kein so schöner Komet gesehen worden sein als dieser ist wahrscheinlich weil er der Erde ganz nahe kommt wird Er auch größer sein als die wo man bisher gesehen aber ein Vorbote des letzten grosen Weltereignisse wird derselbe sein, von diesem Stern hatt die Frau von der ich dir geschriben welche alle jahr einmal in das jenseit geführt worden ist schon vor 10 Jahren gesagt daß so ein schöner Stern kommen werde ehe die Trübsal angehe, diese Frau ist nun schon drei Jahre gestorben und ist mit ihr gegangen wie sie es vorher sagte den sie hatt noch große Leiden an ihrem Körper zu erdulden gehabt aber alles geduldig ertragen im hinblick auf die große Herlichkeit. L. Schwester! Du must oben mit meinem Fehlerhaften schreiben vorlib nehmen ich kann den Brif nie überlesen u ver= bessern wie es sein sollte das würde meine Augen furcht= bar anstrengen gedruckt zu lesen geht mir leichter wie geht es den dir mit den Augen? gestern war die Hanne Finckh bei mir mit einem 10 jährigem Enkelsohn welcher in der Vakanz hir ist der ist schon recht gros sie alte[r]t auch recht die l. Hanne es ist gut daß sie sich Bflegen kann aufstehen wenn sie will die Gichtschmerzen sind eben auch bei dem schlechten Wetter am ärgsten bei dieses Jahr will sie hir baden in einer Färberei in der obern Vorstadt ist eine Bad= einrichtung da hatt sie den Fahrsessel ihrer Tochter von Schorndorf kommen lassen u. lässt sich hin und her fahren das laufen aus das Bad wäre zu anstrengend. Der Kreuser fehlt auch manchmal etwas u. siht auf einmal älter aus auch der Pfarrer in Faurendau alte[r]t sehr seine Frau die Karoline war schon lange Unterleibsleident das vorjährige Bad ist aber so gut bekommen das sie jetzt wider recht gesund ist. Ich hielte es für dich und die l. Pauline am besten wenn Ihr hieher kommt es gibt in Stuttgart und auch hier auserordentlich geschickte Ärtzte wenn du eine Cur mit ihr anfangen würdest auch bei der Fräulein von Seckendorf ist es immer ganz voll wer ein gläubiges Herz mitbringt dem wird geholfen ein hißiges Mädchen hatte eine recht hohe Seite oder Buckel bei der siht man nun gar nicht mehr viel aber es ist ein recht braves Kind hatt der Fräulein viel Freude gemacht, da hatt eben der Geist Gottes wirken können weil ein empfängliches Gem[ü]th da war. Die Pauline Ensl[i]n jetzt Klostermaier muß diesen Sommer eine Cur gebrauchen ihr Artzt schickt sie in die bairischen Thiroler Gebirge ihr Gesundheit ist sehr angegriffen Sie haben das haus verkauft und ein anderes wider gekauft an die Summe von f 50000 das hier tragt f 3000 Mithe daß Sie ganz frei sitzen in folge dieser großen unruhe und Geschäfte des Auszuges hatt Sie schon 3 mal Bluterbrechen gehabt es sind 7 Kinder da das jüngste wird noch nicht laufen können da soll nun die alte Mina das Hauswesen allein leiten und war auch erst krank man fürchtet eben sehr für das leben der Pauline es wäre ein großer Verlust für die Kinder, die Marie welche in Horb ist hatt so große Wassers= noth gehabt der erste Stock war unter Wasser und war noch Wöchnerin hatt nun 3 Buben. nun lebe recht wohl l. Schwester dem Andreas & Deinen l. Kindern die herzl. Grüße der herr sei mit Euch Allen besonders grüßt & küsst dich deine treue Schwester B. Tritschler