Sammlung: Community Contributions

Verfasser: (Friedrich) Wilhelm Voos

Empfänger: Amalia Gerhardt (Voos)

Bezeichnung: Brief von (Friedrich) Wilhelm Voos an seine Stiefmutter Amalia Voos und andere Verwandte, darunter seine Halbschwester Bertha, vom 31. März 1895. Der Brief enthält die Nachricht von der Geburt von Amalie Johanne Voos, der zweiten Tochter von Friedrich Wilhelm Voos und seiner Frau Lise Uhlmann (Voos).

Wilhelm Voos an Amalia Voos, 31. März 1895

Englischer Text

Original text

[in red, underlined:] Hannas Geburt! [/underline]

Xalapa, Estado de Veracruz, Mexico [underline] den 31. März 1895 [/underline]

Liebe Mutter, Berthe u. Luise, lieber Georg! Heute Nacht 1.45 beschenkte uns Else mit einem kräftigen Mädchen. Erfreulicher Weise ist es leicht, bei Else des verantwortlichen Amtes eines Geburtshelfers zu walten. Wir gingen gegen 9 Uhr zu Bett, nachdem wir unseren gewöhnlichen Spaziergang gemacht u. um 1/2 10 Uhr fingen die ersten, wenn auch schwachen, Wehen an. Ich muß vorausschicken, daß schon am Abend vorher "das Wasser" in einem Sturz abgegangen, trotzdem

Während

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während des folgenden Tages Nichts von Belang sich ereignete. Ich hatte durch den frühen Verlust des Fruchtwassers doch meine geheimen Befürchtungen, pflegt doch erfahrungsmäßig das Geburtsgeschäft in solchem Falle oft sehr langwierig, wehenreich u. bei etwaiger abnormer Lage der Frucht auch nicht ohne Gefahr zu sein. Jedoch [one word, strikethrough] die Frucht lag in 1ter Lage, also gut, Kopf ziemlich groß; es konnte sich also, nachdem ich m. Untersuchung gemacht, nur um eine langsame Geburt voraussichtlich handeln. [illegible?] gegen 11 Uhr setzten kräftige Wehen ein, gegen 1 Uhr "schnitt der Kopf ein" u. um 1.45 war die Weltbürgerin da, in ihrer Eile es nicht unterlassend, einen Dammriß 2ten Grades herbeizuführen, den ich heute früh trotz energischen aber erfolglosen Protestes seitens Else, die

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begreiflicherweise eine große Angst vor allen chirurgischen Eingriffen hat, nähte. Die Kleine, Amalie Johanne, ist ein viel größeres, kräftigeres Kind als s. Zt. Mathilde, hat, wie Else sagt, dunkelblaue Augen, große Hände und kleine Füße u. soll sonst mir ähneln. Sie nahm die Brust bereitwilligst u. ist sehr ruhig u. scheinbar zufrieden. Mathilde ist in hellem Jubel ob des kleinen Nene's, wie die Spanier einen Säugling zu nennen pflegen, u. erschöpft sich in allen möglichen Liebkosungen. Sie war es, die dem Kindchen den ersten Kuß gab, unaufgefordert. M. will stets auf dem Bett neben ihr sitzen und erzählt Jedem, den sie trifft, daß Mama ein Nene hat u. lädt ihn ein, es sich mal anzusehen. Else ist den Umständen nach wohl. Sie sagt, daß diese Geburt doppelt so schwer wie die erste gewesen

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sei, obwohl ihr Aussehen nicht darunter gelitten zu haben scheint. Ich bin dankbar, daß Alles so gut ging, auch daß es ein Mädchen gab. Wohl hätte ich einen Jungen vorgezogen, aber - abgesehen von der Fortpflanzung des Stammes - ziehe ich Mädchen vor; sie pflegen, soweit meine Erfahrungen reichen, den Eltern mehr Freude zu machen, mehr [insertion:] häusliche [/insertion] Stütze zu sein u. mehr Anhänglichkeit zu zeigen, als die Knaben. Sobald Else's Zustand es erlaubt, gehe ich nach Tlaxcala, Puebla, Oaxaca, wo mich schon Arbeit erwartet. In 14 Tagen bin ich jedoch wieder hier u. werde bis Juli mit den [strikethrough] be- [/strikethrough] [nöthigen?] Unterbrechungen in der Nähe von Else, u. Familie sein, [in August?] über Mexico nach den Ver. Staaten - mit Familie natürlich - gehen u. im Septbr. nach Deutschland die Heimreise antreten. Das ist der Plan. Auf Georg's Brief warte ich mit Spannung, ebenso auf günstige Nachrichten über Berthas bevorstehende Entbindung. Ich wünsche, und Else gewiß nicht minder, daß sie eine leichte Geburt haben möge. Die herzlichsten Grüße und Küße an Dich, l. Mutter, l. Bertha, l. Luise u. l. Georg u. nochmals für Berthas glückliche Entbindung. In Liebe Wilhelm, Else u. Familie