Sammlung: Eversmann Family Letters

Verfasser: Marie Eversmann

Empfänger: Lewis Eversmann

Bezeichnung: Brief von Marie Eversmann an Lewis Eversmann, 22. Juni 1853.

Marie Eversmann an Lewis Eversmann, 22. Juni 1853

Englischer Text

Original text

Bonn den 22. Juni 1853

Lieber Bruder Ludwig!

Ende Mai hatte ich die Freude Deinen lieben Brief vom 25. April zu erhalten, worauf ich lange gehofft hatte, denn seit Anfang Dezember hatte ich keine Nachricht von Dir! ich danke Dir aber daß Du meiner nicht vergeßen hast, und hätte mich noch mehr über Deinen Brief gefreut, wenn ich nicht darin von der langwierigen Krankheit Deines lieben Sohnes Eduard gelesen hätte, möchte er sich doch jetzt wieder gänzlich erholt haben! Es ist sehr traurig wenn ein so junger, sonst kräftiger Mensch einen siechen Körper bekommt! wäre er jetzt hier, so könnte er mit Gustav und mir nach Wildbad reisen, was ein so herrliches Bad gegen Rheumatismus und Rückenleiden ist, es thut Wunderkuren und hat schon manchem seine Gesundheit wiedergegeben. Ich leide auch sehr an Schwäche im Rücken, und habe vor zwei Jahren viel Linderung nach dem Bad gespürt. Gustav besucht Wildbad seit sieben Jahren, sein Hüftleiden ist unheilbar, aber besser wird es immer nach dem Gebrauch von Wildbad. Ich denke daß wir am 1. Juli reisen werden, und weil ich nicht gerne dort so allein unter allen fremden wandern möchte, so habe ich mir die Natalie kommen laßen aus dem Kloster, um mich zu begleiten. Sie ist seit 12 Tagen hier, und ich habe alle Hände voll zu thun um sie einigermaßen zu kleiden, denn sie ist total abgerißen und ausgewaschen zurück gekommen. Ich würde lieber Julien mitgenommen haben an die ich gewöhnt bin, allein ihre Gesundheit ist leider seit einigen Monaten so schwach, daß ihr die größte Ruhe noth thut. Sie macht mich sehr besorgt durch ihren zunehmenden Husten und ihr elendes Aussehen, es ist ein wahrer Jammer um das talentvolle Mädchen! Sie hat jetzt einen Brunnenkur angefangen, aber ich finde nicht daß sie ihr von Nutzen ist. Wir haben ein sehr schlechtes Frühjahr gehabt, nichts als Krankheit! Anfangs März legte sich Julchen an einem gastrischen Fieber und wurde gefährlich krank, zuletzt artete das Fieber in ein kaltes Fieber aus, welches der Arzt durch Chinin bald [?] coupirte [/?]; allein ihr Körper ist seitdem sehr angegriffen, und nicht ohne Ursache ängstige ich mich um ihre Erhaltung. Am 10. April faßte auch mich ein gastrisch nervöses Fieber

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wovon ich mich gar nicht wieder erholen konnte. Ich lag noch tief in den Betten als Bruder Eduard mit seinem Alexander von Algier über Paris hierher zurück kehrte. Leider konnte er wegen meiner Krankheit nicht bei mir logieren, aber Frau [?] Schmaffhausen [/?] war so freundlich ihn ein paar Wochen bei sich aufzunehmen, und er kam täglich zu mir und erzählte viel von der schönen Reise. Er war eigentlich zu früh in der Jahreszeit zurückgekommen, denn er hatte sich in Algier schon verwöhnt und fand nun hier die Witterung noch sehr rauh, wir hatten ein ungewöhnlich spätes Frühjahr, und Eduard klagte wieder sehr über Rheumatismus. Er war sehr zufrieden mit seiner Reise, besonders gut hatte es ihm in Algier gefallen, von wo er einen Abstecher über das Atlas-Gebirge bis an die Wüste Sahara gemacht hatte. Am 10. Mai verließ uns der liebe gute Bruder wieder, ach! und wir werden uns nun wohl nimmer wieder sehen! Er reiste von hier über Hamburg, Berlin nach Stettin, und von da per Dampfschiff nach Petersburg, wo sie am 24. Mai glücklich angekommen sind, aber weiter haben wir noch keine Nachricht von ihnen, sie sind erschrecklich schreibefaul. Wahrscheinlich hat Eduard in Petersburg noch Gevatter stehen müßen, denn Schwester Emilie ist am 6. Mai von einem Söhnchen glücklich entbunden worden, worüber doppelte Freude war, da sie schon drei Mädchen gehabt hat, wovon noch zwei am Leben sind. Es soll ihr ziemlich gut gehen, die Reise hieher hat ihr doch wohl guthan. Ich habe zu Pfingsten eine sehr nette Reise nach Düßeldorf und Lennep mit meinen beiden Nichten Julie und Emma gemacht. Die beiden Cousinen, [?] Lizette [/?] Holzheimer und Georgina, hatten uns eingeladen dem großen Pfingst-Musikfest beizuwohnen, und obgleich ich mich immer noch sehr matt fühlte, so drang mein Doktor doch darauf die Tour zu machen, und sie hat mich auch sehr gekräftigt ich hätte mich zu Hause gewiß nicht so schnell erholt. Die Conzerte waren sehr genußreich, und außer der Musik hatte man noch manche Überraschung zwischen der großen Menschenmenge, von weit und breit zusammen gekommen, manchen Bekannten zu treffen, so fand ich auch die Verwandten, Schmidts aus Nachrodt, bei Iserlohn,

[left margin:] Man verspricht sich bis jetzt allgemein ein äußerst gesegnetes Jahr! es steht im Felde prächtig, aber wir haben viel Regen.

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und hörte von einer neuen Verlobung in der Familie: Emma Schmidt, die vierte und jüngste Tochter von Frau Emma Schmidt= Löbbecke - zu Nachrodt, mit Robert Löbbecke, jüngster Sohn von seel. Onkel Ludwig in Braunschweig. Es ist merkwürdig wie sich das Schicksal oft gestaltet, denn Robert sollte nach des Vaters Wunsch nach Amerika gehen, weil er nicht auch sich in der Handlung betheiligen konnte, wo sein Bruder Otto, und Julius Löbbecke aus Marienborn jetzt an der Spitze stehen. Eh er aber Europa verließ wollte er den Verwandten in Iserlohn Lebewohl sagen, kam nach Nachrodt, sah die 17jährige blühende Emma, und ließ sich für immer fesseln! Mit der Braut hat er zugleich eine bedeutende Geschäfts-Existenz bekommen, denn da kein Sohn in Nachrodt ist, so wird Robert dort bleiben und die [?] Pudlings [/?]-Hämmer übernehmen, ein sehr gutes Werk im besten Flor! Freund Dietrich Post zu Wehringhausen ist Anfangs April auf eine sehr plötzliche Weise vom Leben zum Tode abberufen worden, er fuhr auf einen Tag nach Elberfeld um am Abend zurück zu kehren, und wurde dort auf der Straße vom Schlage tödtlich getroffen, man hat gar nicht gewußt wer der fremde Mann sei, erst nach langen Erkundigungen hat man es erfahren, es war schrecklich traurig für seine Geschwister als man die Leiche gebracht hat! In künftigem Monat sehen wir nun auch der Ankunft von Bruder Julius und seiner Familie entgegen, jetzt werden sie vielleicht gerade bei Euch zum Besuch sein; schreibe mir doch wie Euch die Schwägerin gefallen hat? Wenn ich Dich bitten darf, dann laß mich nicht wieder so lange ohne Nachricht von Euch Lieben! Bruder Gustav läßt Dich mit mir herzlich grüßen, und meine Nichten tragen mir auch die schönsten Grüße an den unbekannten Onkel und die Tante auf. Grüß auch Anna und Deine Kinder von mir, gebe Gott Euch Allen recht gute Gesundheit! Lebe wohl mein guter lieber Ludwig und behalte lieb Deine treue Schwester Marie

[left margin:] Den 23. Gustav hat vor einigen Wochen dem jungen Doktor [?] Bleek [/?], Sohn des hies. Prof. Bleek, der nach Neujork reiste, einen Brief an Dich mitgegeben, den Du hoffentlich wirst erhalten haben. Diesen Morgen erhielt ich einen Brief von Schwester Emilie, die hat schon die 4te Amme bei ihrem Kinde! Eduard ist am 6. Juni glücklich in [illegible] angekommen.