Sammlung: Nuss Family Letters

Verfasser: Fritz Vieting

Empfänger:

(Wilhelm) Gustav Nuss

Wilhelmina Vieting Nuss

Bezeichnung: Brief von Fritz Vieting an Wilhelmina Vieting Nuss und Wilhelm Gustav Nuss, 12. Juni 1889.

Fritz Vieting an Wilhelmina und Gustav Nuss, 12. Juni 1889

Original text

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Langendreer den 12 Juni 1889

Lieber Schwager u Schwester!

Was lange werth wird entlich gut, entlich komme ich dazu euch auch mahl wieder einiges von hir mitteilen, erstens eine traurige mitteilung daß gestern Abend gegen 6 Uhr unser Almächtiger Gott unser geliebte Schwester Emilie zu sich in die Ewigkeit abgerufen hatt, nach längern mit gedult ertragenden leiden [?] welches [/?] uns allen sehr geliebt wahr [?] haubtsächlich [/?] meine Frau die sehr großen [?] amhang [/?] daran hatte, weihl wir bis jetzt blos denn einen Jungen haben der jetzt Oster in die Schule gekommen ist und auch bis jetzt sehr lust hatt zum lehrnen, unsere Zahl hir zu Hause wird immer kleiner, den der Bruder Wilhelm der von Millitär ganz heim ist, ist am 16 Mai in die Fremde gezogen und Arbeitet jetzt in [?] Kar [/?] Rittershausen um sich weiterre aus Bildung zu schaffen

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denn ich hatte in auch nicht gut über aber er mußte sich doch mahl versuchen um anderre Menschen kennen zu lernen, ich Arbeite jetzt mit 4 Mann habe aber wohl für 8 Mann Arbeit denn bei uns geht es jetzt sehr flott.

Unser Emma dint jetzt im Bommern beim Schuhl=Lehrer, und Anna ist in Manufakturwarren Geschäft in [?] Niehenhoff [/?] bei Hattingen sie muß dort 3 Jahre lehrnen hatt aber schon 2 Jahre um, Gustav kommt nächstes Jahr auch aus der Schuhle, und so werren wir einer nach dem Andern los, Und den muß ich euch noch mitteilen das hir in den letzten 4 Wochen große unruhe herst, denn hir sind [strikethrough:] in den letzten [/strikethrough] in die Ganze Umgegend die Bergleute am Streiken hir ist alles mit Millitär belegt hir in Langendreer liegen 4 Komparnien Infantrie u eine halbe Exkadron Husarren nun koennt ihr euch denken wie es hir geht 14 Tage haben sie hir garnicht Gearbeitet so das der Groeßte teihl der Fabriken still lagen, im Gelsenkirchen Bochum

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und [illegible, place name] sind zirka 15 bis 20 Man erschosen [insertion:] und mehre verwundet [/insertion] vom Millitär weihl sie Unruhe anrichten und die Zechen zerstören wolten bis jetzt sind sie zimmlich alle wieder am Arbeiten weihl die Zechen [?] zubuse [/?] geleistet haben. Wier Bergleute aus hiesiege Bezirke sind persönlich zu unsern Kaiser Wilhelm II nach Berlin gefahren und dort ihr Ansprache gehalten und wie Sie es jetzt haben wohlen. Sie wolen 8 stündige Arbeit mit An und Ausfart haben denn 4 protzent mehr verdienen u keine Überschiechten mehr machen anders nicht [?] alz [/?] wenn es noth thut wenn in der Gruben waß in ander gehen wiehl. Der Kaiser hatt ihmen versprochen er wolte ihnen so viehl wie mochlich zur Seite stehen. Nachdem aber nicht alles so nach ihren Wunsch ausgefallen ist, haben verschiedene schon zu fiehl gesprochen, so das Sie in Bochum wie ich gehort habe ihne 30 Mann eingespunden wegen Maejestätzbeleidegung bis jetzt ist alles zimlich wieder in Ruhe.

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Und den muß ich euch noch mittheilen daß wir am nächsten Sontag [insertion:] 23 Juni [/insertion] in Witten das große [?] Kriegerverbantz-Fest [/?] von Reinland und Westfahlen Feihern wo auch der Verrein von Langendreer hinziet den wir Haben hir jetzt ein Bataljo von 5 Companien über 500 Mann stark, dort kommen fihle Menschen zusammen so das Witten balt zu klein wirt. Lieber Schwager u Schwester ohne vohrher zu Schließen muß ich erst den Dank erstatten für die Schönen Fotographiehen die Ihr uns auf Weihnachten zu geschiekt habt keine größere freude hätte ihr uns bereiten können denn der Vater hatt sie mit Tränen in den Augen längere zeit angeschaut, er hatt [?] gleich [/?] [?] Steh-Rammen [/?] von Lütgendortmund mit bringen laßen und die Bilder eingesetzt. Hoffendlich bekomt ihr auch in kurzer zeit einige Bilder von Hir von Schwager Lindeman [?] Sieman [/?] und meine wenigkeit.

Damit wiel ich Schließen in der Hoffnung das euch mein Schreiben bei der besten gesundheit antrieft wie es uns verläst. grüße vielmahl deine Mutter u [underline:] Geschwiestern [/underline]

viele Grüße von Eltern und Geschwiestern von [strikethrough:] u [/strikethrough] Verwante u Bekante

[underline:] Schreibe Balt wieder [/underline]

Herzlichen Gruß von dem Schwager Fritz Vieting

[left margin:]

Herzlichen gruß von [?] Karl Bleibing [/?] der Vater wahr vorige Woche dort du mochtes im doch auch mahl schreiben.