Sammlung: Crede Family Papers

Verfasser: Therese Crede (Winhold)

Empfänger: Hermann Carl Crede

Bezeichnung: Brief von Therese "Rösel" Crede (Winhold) an ihren Bruder, Hermann Crede, 8. August 1888. In diesem Brief teilt Rösel die Nachricht mit, dass ihre Mutter drei Wochen zuvor, am 15. Juli 1888, verstorben war.

Therese "Rösel" Winhold an Hermann Crede, 8. August 1888

Original text

Cassel den 8./8. 1888.

Mein innig geliebter Hermann!

Schon vielmal habe ich angefangen an Dich zu schreiben, doch konnte ich vor lauter weinen keinen Brief fertig bringen. — Unsere innig geliebte Mama ist am 15 Julÿ morgens 4½ Uhr von ihren schweren & langen Leiden erlöst. — O, Herrmann was habe ich ertragen & welch schreckliche Zeit durchlebt, das Herz steht mir still wenn ich daran denke. Ich weiß ja, daß auch Du Mama von ganzem Herzen lieb gehabt hast, & daß ihr Todt Dir sehr weh

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weh thun wird, aber was ich verloren hab verliert keins von ihren Kindern, sie war mir das Liebste auf Erden & mein Herz hing mit voller Liebe an ihr. Es sind schon drei Wochen & immer kann ich mich noch nicht hierin finden, einen jeden Augenblick wo ich allein bin weine ich & giebt es Tage wo ich gar nicht weinen kann, daß ist noch schrecklicher, denn thut mir das Herz so fürchterlich weh. — Die arme gute Mama wie entsetzlich hat sie leiden müssen, & mit welcher Engelsgeduld hat sie alles ertragen, nur immer hat sie mich

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mich beklagt, was ich für viel Last & Sorge mit ihr habe, & ach wie gern habe ich doch alles gethan. Sie sprach viel von Dir & Wilhelm, & konnte immer nicht erwarten bis ein Brief kam, den ich ihr wohl 10 mal vorlesen mußte, in den letzten Tagen rief sie immer ihr Hermann solle kommen, sie hätte mit ihm noch zu sprechen, doch konnte ich nie verstehen, was ich Dir sagen sollte. — Dienstag den 17 Jùlÿ Mittags 4 Uhr ist sie beerdigt, & haben wir ihr alles so schön gemacht, als es nur ging. Von Dir

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Dir & Wilhelm habe ich ihr auch schöne Kränze auf den Sarg gelegt, weil Ihr es doch nicht thun konntet. Von Nah & Fern bekam sie Blumen geschickt, es waren so viel daß noch drei Mädchen sie tragen mußten. — Papa der schon seid Monaten an Magen leidet, ist die ganze Zeit recht krank gewesen & habe ich auch um ihn viel Sorge & sehr schwer meine Last, da ich ihn nicht wie die gute Mama auf den Arm nehmen kann, weiß ich mir oft nicht zu

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helfen & kommt mir O. Curt — der die ganze Zeit unseres Elends uns mit Liebe treu zur Seite gestanden hat — auch da zu Hülfe. Doch ist die Nacht so lang & bin ich außerdem so viel allein mit ihm, daß ich der Zukunft mit schweren Sorgen entgegen sehe. Nun der liebe Gott wird mich nicht verlassen & mir helfen, seid ich Mama nicht mehr hab kommt mir alles doppelt schwer vor. — Heut kann ich Dir nicht mehr schreiben, lebe

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lebe wohl, mein liebes Herz, habe Du mich immer lieb & vergiß nicht Dein armes Rösel.

Papa, Ada & O. Curt lassen Euch Lieben Alle grüßen, schreib bald auch Papa. —