Sammlung: Crede Family Papers

Verfasser: Therese Crede (Winhold)

Empfänger: Hermann Carl Crede

Bezeichnung: Brief von Therese "Rösel" Winhold an ihren Bruder, Hermann Crede, 3. Juni 1887.

Therese “Rösel” Winhold to Hermann Crede, June 3, 1887

Original text

Cassel den 3/6 1887.

Mein innig geliebter Hermann!

Für Deinen l. Brief vom 13/4 den ich den 6/5 erhalten habe danke ich Dir recht herzlich & hatte ich mir vorgenommen Dir auch gleich wieder zu schreiben, leider kam ich nicht dazu. Fast 6 Wochen hatte ich einen schlimmen Arm ich hatte mir die rechte Hand vergriffen & that es ganz abscheulich weh. Mama & Papa sind immer noch viel leident & liegt Mama die meiste Zeit zu Bett, Du kannst Dir denken wie viel Last & Sorgen ich tragen muß, wie oft wünsche ich, daß ich mein Herzens Mätzchen doch eine Stunde bei mir haben könnte, um ihn meine Klagelieder einmal vorzusingen, doch bleibt es eben ein Wunsch

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Am 14 März ist Tante Louise von ihrem Leiden erlöst & am 17/9 mit gewünschter Thracht zu Grabe getragen, Adelheid u. ich gingen als Hauptleidtragende dicht hinter dem Sarge her, außerdem war W. L & Tante Liese, August, Herwig & Frau & W. Schneider da. — Schmerzen hat Tante bis zu ihrem Ende nicht gehabt, um 13/3 ließ sie mich noch kommen & fand ich sie verändert doch, daß sie die Nacht noch sterben würde, kam mir nicht in Sinn ich konnte nicht dort bleiben da Mama auch sehr krank war. Es ist Tante sehr sehr wohl, ich habe aufgeathmed wie sie es glücklich überstanden hatte, Du glaubst nicht was für eine schreckliche Zeit ich mit

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mit durch gemacht habe.— Da Papa nicht ohne mich sein kann, durfte ich nicht nach Fulda, & zu O. Curts Geburtstag bin ich auch nicht gewesen, da siehst Du, welch wichtige Person ich bin, ganz unendbehrlich bin ich, nicht mal spazieren darf ich gehn, gleich fehlt es in allen Ecken. — Ada macht mir auch viel Sorge, sie lernt im französischen sehr schlecht, es ist schrecklich wenn man so allein steht, O. C. ist wie Papa noch ganz nach der alte Mode, mit den Beiden kann man nicht sprechen. Du glaubst es komme eine Zeit wo es wieder besser für mich würde, ach liebstes Herz, so dumm bin ich leider nicht, mich mit solchen Hoffnungen zu tragen, Kummer

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und Herzleid ist alles, was mir blühet, das Leben ist eben nicht vollkommen & giebt es mehr Trauer wie Freude in der Welt. — Aber weißt Du mein Liebling eine Trauerweide die nichts wie klagen kann, will ich doch noch nicht geben, ich will den Kopf hoch halten. Dies Jahr habe ich auch den Garten übernommen, na wenn Du rein sehen könntest würdest Du gleich sehn, daß Deine Rösel die Gärtnerin ist, Papa ist erst einmal im Garten gewesen, sonst würde ich jedenfalls recht viel gelobt werden. — Unsere Hauswirthin ist gestorben & müssen wir wohl ausziehn, wenn wir nur erst eine Wohnung hätten. Grüße Deine l. Elisabeth & die Kinder recht herzlich von uns Allen & schreibe mir was sie Alle machen & ob auch Du mein Liebling recht fleißig bist. Wann heirathet den Wilhelms Tochter? Schreib mir doch etwas darüber. — Nun lebe wohl mein liebstes Herzens Mätzchen, wenn Du mir recht bald schreibst so bekommst Du einen langen [underline:] hübschen [/underline] Brief. Tausend Küsse Deine Rösel. —

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Papa, Ada, W. & H. L. Tante Liese und O. Curt lassen Euch alle herzlich grüßen.

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