Sammlung: Crede Family Papers

Verfasser: Therese Crede (Winhold)

Empfänger: Hermann Carl Crede

Bezeichnung: Brief von Therese "Rösel" Crede (Winhold) an ihren Bruder, Hermann Crede, 23. August 1886.

Therese “Rösel” Winhold to Hermann Crede, August 23, 1886

Original text

Cassel den 23./ 8. 1886.

Mein innig geliebter Hermann!

Mit welcher Sehnsucht ich Deinen letzten Brief erwartet & wie glücklich ich war ihn endlich zu erhalten kannst Du Dir nicht denken, ich dachte immer bis Dein Brief küm wär ich todt, aber siehst Du mein liebes Herz Unkraut vergeht nicht, ich bin doch noch mal durch gekommen, aber wie krank ich war, glaubst Du nicht, ich hatte sicher den Gedanken das ich sterben müßte, & der Gedanke ist schrecklich wenn man auch den Glauben an ein besseres Jenseids haben soll, so wollen doch die meisten Menschen, so lang wie möglich

auf

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auf dieser unvollkommenen Erde bleiben, und wie wunderbar schön die Erde ist, sieht man ein, wenn man sich erst unglücklich fühlt. — Wie schön wär es wenn ich Euch Lieben auf ein Jahr besuchen könnte, der Dr. hat mir ein Kurbad verordnet & würde wohl eine Seereise dieselben Dienste thun, leider ist es uns unausführbar, da ich ja gar nicht abkommen kann, wir sehr würde Papa, Mama & Ada mich entbehren. Meine Nerven sind noch sehr schwach gern würde ich Deinen guten Rath befolgen & mir keine Sorgen machen leider komme sie aber immer von selbst, ach wie oft denke ich wenn Du, mein liebes Herz bei mir wärest, dann brauchte ich nicht immer so viel Angst & Sorge zu haben, es ist auch schrecklich wenn man

so

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so allein ist. Onkel Curt kommt oft & ist wie immer lieb, Du glaubst nicht wie gut & besorgt er für mich während meines Krankseins war, mit ihm kann ich wohl sprechen von was mich drück, aber weißt Du, wie mit meinen Mätzchen kann ich doch nicht mit ihm sprechen. — Ada hatten sie, damit ich mehr Ruhe haben sollte, die Ferien nach der Tante geschickt, nun kommt sie wieder & ist auch die ganze Zeit sehr angegriffen & seid 8 Tagen recht krank, das arme Ding hat schon Rhematismuß man kann sie kaum anfassen alles thut ihr weh, ich habe rechte Sorgen um den kleinen Liebling wenn es doch nur bald wieder besser wird. — Hedwig & Wil. sagen Dir besten Dank für die Gratulation & lassen Dich herzlich grüßen, eben so Tante Elsa

gestern

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gestern war ihr Geburtstag & war ich zum Caffé dort, doch war ich um 6 Uhr schon wieder zu hause, ich kann es nicht ertragen, wenn viele Menschen da sind. — Tante Louise habe ich mit O. E. — den ich mir als Blitzableider mitnehme — besucht, sie hatte verschiedenemal y. schickt ich sollte kommen, doch fand ich Alles beim Alten, sie war wie immer sehr liebenswürdig mit mir, sie erzählte mir das sie den lieben Engel in Helsa zum Geburtstag 100 Thlr. geschenkt habe. Wäre ich ein Mann wie Du, würde es mir auch gleich sein was sie mit ihrem Gelde machte, leider bin ich das nicht & muß mich doch rein finden, wahrscheinlich nichts zu bekommen. — Wenn O. E. & ich zusammen sind sprechen wir meist von Dir, mein Herzens Liebling & erinnern uns der schönen Zeit wo wir Dich hier hatten, ach könntest Du doch bald wieder kommen. Nun lebe wohl mein liebstes Herz, grüße Deine l. Frau & die Kinder viel tausendmal, doch besonderts grüßt & küßt Dich mein Liebling 100000 mal Deine Rösel

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Hast Du am 15 d M. an den Tauftag gedacht? Wir haben bei O. C. eine Flasche Wein auf das Wohl u

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unseres Lebensretter getrunken.

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Bitte, bitte schreibe mir recht bald wieder & schicke mir manchmal eine Zeitung ich sehe dann das Du an Dein Rösel denkst.

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