Sammlung: Benecke Family Collection

Verfasser: Frieda Amerlan

Empfänger: Josephine Amerlan (Benecke)

Bezeichnung: Brief von Frieda Amerlan an Josephine Benecke, 5. November 1888.

Frieda Amerlan an Josephine Benecke, 5. November 1888

Original text

Ang. 5.11.88.

Mein lieber alter Joseph!

Da soviel von der Präsidentenwahl abhängt, wollte ich eigentlich erst ihren Ausfall abwarten, ehe ich schreibe, denn ich bilde mir ein, wenn Kleveland wiedergewählt wird u. Dora aus Ärger heirathet, wird es sich schon machen lassen, daß Du ihr im nächsten Sommer Deine [insertion:] männliche [/insertion] Familie anvertraust u. mit Lucy u. Ruby herüberkommst. Du u. der liebe kleine Kerl, Ihr würdet Euch hier gewiß für viele Jahre erholen, u. Lucy könnte [strikethrough:] J [/strikethrough] ihren Wissensdrang mit Tante Nanni (u. Berlin so mehr) ausgiebig befriedigen. Wenn

[left margin:] das kleine Baby (im Century eingelegt) was sich so artig mit dem großen Schwamme wäscht, wollte Auguste für Dein [illegible, two words] erklären.

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Dein Mann [insertion:] ein Konsulat [/insertion] erhielte u. Ihr Alle auf lange Zeit nach Deutschland kämt, das wäre freilich noch viel schöner. D.h. Dora u. Fritz müßten Euch dann als "Hochzeitsreisende" [strikethrough:] g [/strikethrough] begleiten; sein Gesicht (die Centurysendung samt Einlagen kam vor einigen Tagen glücklich hier an; besten Dank!) war uns allen gleich sehr lieb u. sympatisch, so daß ich als Tante mich gleich auf die Seite seiner Wünsche stelle. Nur sehr jung scheint er noch - Dora kriegt ihn gewiß unter den Pantoffel?! Auch Lucys Bild ist allerliebst; es macht solchen sehr natürlichen Eindruck u. ist gewiß sehr ähnlich - auch Dir als Du jünger - wie es uns dünkt.

Daß Du

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von uns so selten Bilder erhältst, findet seine einfache Erklärung [insertion:] darin [/insertion], daß wir keinen Onkel Robert haben, der sie uns umsonst macht. Und das Geld ist in unsrer Familie ja, wie Du weißt, leider allzeit sehr rar. Ich bin seit 1876 nicht photografiert u. schickte Dir damals doch gewiß meinen Dickkopf. Ebenso Vaterchens Portrait vom Anfang der achtziger Jahre? Beides legte die Auguste mal ein. Bei Nanni u. den Jungens werde ich gelegentlich für Dich betteln. Erstere ist augenblicklich recht wohl; für gewöhnlich findet sie sich zu elend, als daß ein erfreuliches Konterfei möglich wäre. Karlsbad ist ihr u. Onkel sehr gut bekommen;

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wenn dieser im nächsten Frühling rechtzeitig noch ein mal hingeht, hofft der Arzt des [?] leidischen [/?] Übels Herr werden zu können. Du fragst, weßhalb er noch immer soviel arbeitet wie sonst? Teils ist es ihm zur zweiten Natur geworden - rastlose Thätigkeit ihm ein Bedürfniß; teils aber thut er es noch um Toni u. ihrer Kinder willen, die seit des Vaters Tode einen großen jährlichen Zuschuß von ihm bekommen. Tonis Wittwengehalt ist nur klein; u. die geringen Erziehungsgelder für die Jungens (80 Thaler jährlich für jeden) hören auf sobald sie achtzehn Jahr sind. Und das ist für Deutschland früh - hier werden die anständigen Karrieren von Jahr zu Jahr mehr erschwert. -

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2.

in den letzten Monaten aber erträglich gewesen. Teilte ich Euch in meinem letzten Brief schon Onkel Fritzens Tod mit? (Herzschlag). Tante Bertha ist Ende März hier nach Angermünde hergezogen. (An den sogenannten [?] Terndegleh [/?] neben die Notzesche Brauerei - wenn Du Dich von früher erinnerst? Leider ist es sehr schwer, ihr durch Unterhaltung Teilnahme zu erweisen: sie ist fast ganz taub. - Max ist am I Apr. nach Berlin hin übersiedelt u. hat sich dort als Verleger

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etablirt. Möchte es ihm doch [strikethrough:] glücklich [/strikethrough] glücken! Rührig u. fleißig ist er ja u. auch nicht dumm, aber ersten Impulsen leicht zugänglich. Mancherlei Lehrgeld wird er wohl zahlen müssen. Aber man muß das Beste hoffen, er hat sich ja alles lange genug überlegt. - -

Soeben erhalte ich eine Todesnachricht: Hegel-Lehmann ist in Berlin am Schlagfluß gestorben. Damit ist auch ein verfehltes Leben

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zur Ruhe gekommen! Ein Rätsel wird es mir immer bleiben, wie ein so unangenehmer Mensch so liebenswürdige u. tüchtige Kinder haben konnte. -

Im übrigen nichts neues von hier. Höchstens noch Ernst von [?] Annings [/?] Verlobung mit einem Frl [?] Hornz [/?] aus München. Waise; dem Bilde nach etliche Jahre älter als er, aber sehr reich.

Hoffend, daß Du nun

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auch mal wieder ausführlich von Dir hören läßt, liebster Joseph, sage ich Dir für heut Lebewohl u. bitte nur noch Deinem lieben Mann Vaters u. meine herzlichen u. aufrichtigen Glückwünsche zu seinem bevorstehenden Geburtstage zu bestellen! Unsern Grüßen für Dich, Mann, Kind u. Kegel schließen sich auch Griebons, Auguste etc. an. Ich füge noch einen Kuß für die beiden Mädchen u. Ruby bei (denn Otto u. Ludwig lassen sich wohl nicht mehr gern küssen?!) u. bleibe in alter Liebe

Deine Ta. A.