Sammlung: Benecke Family Collection

Verfasser: Frieda Amerlan

Empfänger: Josephine Amerlan (Benecke)

Bezeichnung: Frieda Amerlan an Josephine Benecke, 30. August 1899.

Frieda Amerlan an Josephine Benecke, 30. August 1899

Original text

[Stationery:] M. Schorss Verlag | Berlin und München

Berlin S.W., 12 Friedrich Str. 52/53. | München, Kaulbachstrasse 36

Zeitschrift des Bayerischer Kunstgewerbe-Vereins [/stationery]


Dahne i. d. Mark

30.8.1899.

Mein lieber alter Joseph!

Ob mein Wunsch sich wohl erfüllt, daß dieser Brief pünktlich eintrifft u. Dir grade zu Deinem Geburtstag, wie ich - trotz meines langen [?] Schweigens [/?] Deiner noch immer in treuer Liebe [?] gedenke [/?] u. Dir so recht von Herzen Glück für Dein neues Lebensjahr wünsche? Glück für Dich, Deinen guten Mann, Deine lieben Kinder u. Dein herziges Enkelkind. Wenn ich auch 2 so reizende Töchter in die Welt zu schicken hätte (wenigstens ihre Bilder), dann hättest Du nicht so lange auf ein Lebenszeichen [?] von [/?] mir warten sollen. Wie die selben [?] mich [/?] u. Alle, die sie sehen, entzückt haben, kann ich Dir kaum sagen. Nur innig danken will ich Euch, daß Ihr an mich

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Aus der ferneren Familie kann ich Dir nur mitteilen daß [?] Anne v. Dönering [/?] Vorsitzende des großen deutschen Bauernvereins ist; u. Hugo v. D. (Hedwigs Sohn) einen kleinen Jungen hat. Daß Cousine Wita (Onkel Karls Älteste) im vor. [?] Libauen [/?] an Wassersucht u. Herzverfettung starb schrieb ich schon im vorigen Jahr wie ich glaube.

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gedacht u. sie mir geschickt habt. Weißt Du, wo sie mich fanden? In Bozen, einem südlichen Kurort in Welschtyrol, jenseit der Alpen; wo ich den ganzen Winter verlebt habe. Nicht um meiner eigenen Gesundheit willen, Gott sei Dank! Unsers Max zweiter kleiner Sohn, Helmut, ist etwas schwach auf der Brust, u. da er im vergangenen Herbst 2 mal Lungenentzündung hatte u. der Münchner Winter sehr rauh [insertion:] vom [/insertion] Ostwind ist, wollte der Arzt, daß er ihn im Süden verlebte. Mama Dörtchen konnte nicht mit, weil sie noch 2 Buben hat, von denen der Älteste schon die Schule besucht, u. weil ihr Mann sie nicht so lange entbehren wollte. Da baten sie mich, u. ich freute mich, ihnen den Gefallen thun zu können. Habe dabei auch viel Schönes gesehen. Du weißt, wie gern ich reise. Und was die Hauptsache ist - ich brachte den kleinen Kerl gesund u. kugelrund [illegible strikethrough] im Frühling wieder heim. - Auf der Rückreise machte ich dann noch einen Abstecher zu Schwester Auguste. Diese wäre als Großmutter ja eigentlich die nächste dazu gewesen, ihr Enkelkind zu pflegen, aber ihre Kräfte wären der Aufgabe leider nicht mehr [insertion:] gewachsen [/insertion] gewesen. Mit zunehmendem Alter wird sie leider wieder recht schwächlich. Du erinnerst Dich, daß sie es auch als junge Frau [insertion:] war [/insertion]? Sie ist zum Glück nie krank, auch immer noch heiter u. [?] ziemlich [/?] rege, aber Anstrengungen darf sie sich in keinem Maße mehr zumuten.

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II

Schon lange hat sie die ganze Wirtschaftsführung in Friedelchens Hände gelegt, mit der sie seit vorigem Herbst sehr behaglich in dem gemütlichen kleinen Harzstädtchen Hasserode (dicht bei Wernigerode) wohnt. - Daß beide 1897 Angermünde verließen u. nach München zogen, daß Friedel dort ihr Musiktalent besser verwerten könne als in dem kleinen Angermünde, schrieb ich Dir schon. Ihre Hoffnung erfüllte sich aber nicht; sie fand keine Schülerinnen, u. ohne diesen Nebenerwerb ist das Münchner Leben zu teuer. Da entschlossen sie sich schnell u. siedelten nach Hasserode über, wo [strikethrough:] of [/strikethrough] viel Töchterpensionate u. höhere Schulen sind, Hier gelang es ihr auch, schnell bekannt zu werden u. so viel Stunden zu bekommen, daß sie [strikethrough, one word] schon jetzt eine schöne Einnahme hat u. ihre Zukunft gesichert ist. Auch mir geht es im Großen u. Ganzen gut. Da unser schönes [?] Nifi [/?] mir Wohnung u. Heizung, Mittagstisch u. Beleuchtung gewährt, habe ich keinerlei Sorgen;

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denn was ich außerdem an Kleidung etc - gebrauche, erwerbe ich mir hier, wo ich viel Zeit habe, leicht mit meinem bischen Schriftstellerei. Wenigstens solange meine Augen es aushalten u. mein Arm gesund bleibt. Manchmal muckt er wieder, dann wird's bös. - Von Bruder Albert kann ich Dir zu meiner Betrübnis nichts so Gutes melden. Er lebt noch in Wien u. hat sich bis jetzt mit Stundengeben u. etwas Zeitungsschreiberei mühsam durch [one word, illegible]. Nun hat er im Frühlinge eine lange u. schwere Influenza gehabt u. dadurch viel Schüler verloren. Gott geb, daß es sich zum Winter wieder bessert. Ich schicke ihm soviel ich irgend kann, aber viel ist das natürlich nicht.

Augustes zweiter Sohn, Dein [?] Neffe [/?] Hermann, lebt in Ostpreußen vergnügt als Oberförster.

Auch unsre alten Leutchen in Angermünde sind meist vergnügt u. für ihre Jahre (Onkel 86, Tantchen 84) recht rüstig. Den Sommer verleben sie alljährlich in Hasserode u. würden der stärkenden Bergluft wegen - gern ganz hinziehen, wenn sich das Haus in Angermünde nur gut verkaufte. Aber das macht Schwierigkeiten. - Nanni hat im Winter zwei mal einen öffentlichen Vortrag in Berlin gehalten, die beide sehr gefallen haben sollen. Sie ist etwas stärker geworden u. ein bischen kräftiger wie früher. - Von Tonis Söhnen haben sich die beiden ältesten schon verlobt. Otto ist Ingenieur u. in Dortmund als staatlich geprüfter [illegible] angestellt. Hermann (no 2) ist Elektrotechniker u. [illegible] den großen Werken von [?] Kortany [/?] [2 words, illegible] Walter ist Buchhändler u. z. Z. als Gehülfe in Genf.

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3

Alle drei sind tüchtig u. brav; u. ist es uns noch immer sehr schmerzlich, daß Toni diese Freude nicht mehr erlebt hat. -

Wie glücklich bist Du dagegen, lieber alter Joseph! Du hast Deinen geliebten Mann noch, u. mußt Dich im Kreise Deiner schönen u. begabten Kinder eigentlich ganz jung fühlen! Wie reizend ist die kleine Alma! Beneidet Tante Lucy nicht manchmal Mütterchen Dora? oder hat sie ihrem ein wenig (nehmt's nicht übel!) [?] fin-de-siecle [/?] Brautstand inzwischen ein Ende gemacht u. waltet auch "als züchtige Hausfrau" im eigenen Heim? Und hat Ludwig's Herz noch nicht gesprochen? Du mußt mir wirklich bald mal wieder von Euch allen schreiben, mir scheint's eine

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Ewigkeit her zu sein seit kein Brief von Dir kam. In welcher Klasse ist bitte Waldo jetzt? Und wie befindet sich Dein Schmerzenssohn, der arme Otto? Ist gar keine Hoffnung, daß die Anfälle mit der Zeit sich verlieren? Armer Junge!

Onkel Robert schicke ich meinen allerschönsten [strikethrough:] Dank [/strikethrough] Gruß zum Dank daß er so reizende Bilder von seinen reizenden Mädchen macht. Den innigsten Gruß u. Kuß aber Dir mein alter Joseph u. [strikethrough, 1 word] Schwager Louis. Und viel herzliche Wünsche, daß Ihr recht gesund sein u. noch lange bleiben möchtet. Auch die Jugend - vom Jüngsten bis zum Ältesten - grüße ich herzlich falls auch sie etwas hält von Eurer kr. alten Tante Fr. A.