Sammlung: Hilgard Letters

Verfasser: Theodor Erasmus Hilgard

Empfänger: Maria Dorothea Engelmann (Hilgard)

Bezeichnung: Brief von Theodor Hilgard an seine Mutter Maria Dorothea Hilgard, 28. Juli 1838.

Theodor Hilgard an Maria Dorothea Hilgard, 28. Juli 1838

Original text

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Copie.

Gut Oakley, bei Belleville, den 28 ten Juli 1838.
Datum meines letzten Briefes = 12 Juni 1838.
Beste Mutter!
Ich weiß nicht, ob die übermäßige und anhaltende Hitze, die wir seit geraumer Zeit haben, und unter der wir
armen Illinesen fast verschmachten, mir erlauben wird, Kräfte und Gedanken genug zu einem erträglichen Briefe zu
sammeln. Auf jeden Fall muß ich diesmal um einige Nachsicht bitten, den eine Temperatur, die sich
seit Wochen von Morgends bis Abends zwischen 25- 30 Grad R. hält, ist wirklich für Geist und Körper sehr
abspannend, u. man möchte am Liebsten den ganzen Tag nichts thun als- alle Viere von sich strecken. Ich
wollte es noch gelten lassen, wenn dann und wann ein guter Gewitterregen die lechzenden Pflanzen, Thiere und
Menschen erquickte. Aber zu unserer großen Trübsal ziehen in diesem Jahre fast alle Gewitter bald rechts,
bald links an uns vorüber und vexiren uns nur. Alle Bäche, Bächlein und Quellen sind ausgetrocknet,
u in Belleville ist drückender Wassermangel, da auch die Brunnen nicht mehr hinreichend Wasser geben.
Glücklicherweise hat der unsrige sich bis jetzt gut gehalten, so daß er auch noch Andern aushilft. Daß es
unter diesem Umständen in unserm Garten eben nicht sonderlich brillant aussieht, können Sie sich
denken. Die Gurkenbeete haben auch nicht eine einzige Gurke angesetzt, so reichlich sie blühten; die
Bohnen, die den größten Überfluß versprachen, geben nur sehr spärlich aus, u der Blumengarten besteht
so ziemlich nur aus dürren Stegeln. Die blauen Winden, die sich um die Säulen meines Vordachers (Porch) gar
allerliebst emporschlingen, müßen täglich 4-5 mal Wasser haben, um nicht zu verdorren- Etc. Im Sommer,
es wird mir immer klärer, daß Trockenheit das jenige Übel ist, welches der Landwirth hier zu Lande bei weitem
am meisten zu fürchten hat, u daß dieser Umstand der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens am meisten im
Wege steht. Doch hat die große Hitze in Durchschnitt der diesjähriger Ernte weniger geschadet, als man
denken sollte. Der Waizen ist allgemein gediehen u so wohlfeil als jemals, nämlich nur 1/2 Dollar per Bushel,
d. h. 1 f 15 kr. r 60 U,- zum großen Verdruß der Produzenten, u der Mais steht so schön als ich ihn nie sah.
Wer durch die Reihen eines Maisfeldes wandelt, glaubt sich in einem Wald von jungen Palmen, die im Durchschnitt
doppelte Mannshöhe haben. Der Mais liebt sehr die Sonne u kann einen guten Grad von Trockenheit
vertragen. Er wird daher, schon aus diesem Grunde, stets das Haupt-Produkt dieses Landes bleiben. Auch
meine Weinstöcke (ich habe ihrer etwa 60) haben bis jetzt die Trockenkeit glücklich überstanden u. wachsen
lustig darauf los. Das nächste Jahr wird so ziemlich darüber entscheiden, ob wir hier Trauben essen und
einheimischen Wein trinken können, oder nicht. —Da haben Sie nun, liebste Mlutter, eine ganze
Litanei über Hitze u Trockenheit; aber Sie wissen." Wovon das Herz ist überfüllt, davon es
sprudelt und überquillt." — Auf den allgemeinen Gesundheits-Zustand hat, so viel mir bekannt ist,
diese Witterung keinen nachtheiligen Einfluß gehabt, außer in einigen Fallen bösartiger Ruhr, die in mehreren,
meist amerikanischen, Familien unserer Bekanntschaft vorgekommen sind. Es wäre aber auch ein wahres Wunder,
wenn die Amerikaner von diesem Übel verschont blieben, da sie fast Alle zu ihrer Erfrischung nichts lieber
essen als völlig unreifes Obst. Nicht selten werden sogar einem Besuche ganz grüne ersthalb
ausgewachsene, Äpfel oder Pfirsiche vorgestellt, u kein Amerikaner denkt daran, seine Kinder
vor diesen herrlichen Leckerbissen zu warnen. In meinem Hause ist der Gesundheits-Zustand gut, nur
daß meine Frau seit einige Zeit häufiger und ernstlicher als früher von ihren alten, aus Zweibrücken
mitgebrachten, Unpäßlicheiten— meist hämoneheialischer Natur— heimgesucht und dadurch bis weilen
bettlägerig wird. Wozu wohl auch die ermattende Hitze etwas beitragen mag. Auch ich habe mit
meinem alten Feinde, dem Zahnweh einige harte Kämpfe zu bestehen gehabt und mußte namentlich unser
großes Nationalfest, den 4 ten Juli, dadurch feiere, daß ich mir einen Backanzahn ausziehen ließ,
wobei der fatale Umstand eintrat, daß der Zahnschmerz sich gleich nach der Operation in Ohrenweh
verwandelte, das zwar bald verschwand, mir aber noch bis heute im rechten Ohr ein beständiges Sausen
und einen hohen Grad von Harthörigkeit zurückließ. Hoffentlich wird dies nur vorübergehend sein,
das linke Ohr ist gar nicht affizirt. Sonst ist im Kreise unserer hiesigen Verwandten Alles wohl.
Auch H. Michel, der so eben zu Pferde bei mir war, um mich zu einem Spatzierritt in der Abendkühle
einzuladen, ist mit den Seinigen wohl und läßt aufs Herzlichste grüßen. Sein Geschäft geht, trotz
den schlechten Zeiten, über Erwarten gut, was natürlich einen sehr günstigen Einfluß auf seine
Stimmung hat. Er sagt, er sei nie so heiter gewesen als hier, und ich glaube das. Von H. Hasel
habe ich Ihnen, wie ich glaube, noch nichts gesagt, seit er hier ist. Er trat gleich nach seiner Ankunft
mit einer etwas zu großen, bis weilen an Unbescheidenheit gränzenden, Zuversicht auf und machte sich dadurch
umbeliebt, bei Männern u Frauenzimmern. Ein Liebeshandel, des er etwas zu stürmisch betrieb u der deshalb
scheiterte, vertrieb ihn zuletzt aus Belleville, u. bewog ihn, als Lehrling der Landwirthschaft bei Vetter Ledergerber

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einzutreten, wo er jetzt tüchtig arbeitet und schwitzt. Eben da selbst ich auch ein jungen Mann, Namens
Glaser aus Frankenthal, ein Neffe und Mündel von Philipp Nössel in Frankenthal. Er hat sich bisher
fleißig u bescheiden betragen u macht allgemein einen guten Eindruck. Vielleicht würde es seinem Ohein
erfreulich sein, wenn ihm dies mitgetheilt würde. Ich habe mich in der letzten Zeit, da mich die Land-
Wirthschaft jetzt wenig mehr in Anspruch nimmt, ziemlich viel mit Verschönerungen im Innern meines
Hauses — oder vielmehr meiner Häuser — beschäftigt. So habe ich z. B. die Wände meines eignen Zimmers
mit silbergrauer Oelfarbe angestrichen, was mir, nach einigen Prüfungen der Geduld, sehr gut gelungen
ist, und, da ich die Arbeit selbst verrichtete, nur wenige Dollars kostete, so ungewöhnlich groß auch
mein Zimmer ist. Jetzt nimmt es sich wirklich recht stattlich aus, und der Aufenthalt in demselben wird
noch angenehmer durch die hübsche Porch (Vorhalle), die vor demselben hinläuft. Ferner habe ich das
untere Zimmer im Backsteinhause tapezirt u das Getäfel frisch mit perlfarbiger Ölfarbe
angestrichen. Beides gelang vortrefflich; doch muß ich den Ruhm des Tapezirens größtentheils dem
H. Michel abtreten, der die Sache dirigirte u sie wirklich meisterhaft versteht. Die Tapete, die
ich in St. Louis kaufte, ist satinirt u von der feinsten Art. Sie kostet in Allem, mit Inbegriff der
Bordure, gegen 11 Dollars. Dieser Preis ist zwar höher als in Deutschland oder Frankreich; aber dies
wird dadurch wieder aufgewogen, daß das Tapezieren selbst nichts kostete. So kann man sich
auch hier zu Lande recht hübsche Einrichtung ganz billig verschafft, wenn man nur sein selbst Hand
dabei anlegt.
Und so mit Gott befohlen, liebste Mutter, und 1000 Grüße an Alle!
Ihr treuer Sohn
Th. Hilgard senior.
Für richtige und gleichlautende Abschrift:
O Hilgard
St. Johann bei Landau, den 12 Sept. 1838.