Sammlung: Benecke Family Collection

Empfänger:

Empfänger: Josephine Amerlan (Benecke)

Bezeichnung: Brief der Familie Benecke, 23. September 1906.

Brief der Familie Benecke, 23. September 1906

Original text

Dahme (Mark)

23. 9. 06.

Mein lieber, alter Joseph!

Heute vor 8 Tagen war Dein Geburtstag, aber vergebens wirst Du ausgeschaut haben, ob mein Glückwunsch wohl ebenso pünktlich eintreffen würde wie im vorigen Jahr. Um die Zeit als ich ihn hätte schreiben u. abschicken müssen, lag ich noch - an Händen u. Füßen lahm - im Kreiskrankenhaus zu [?] Lubau [/?]. Der schwere Gelenkrheumatismus, der mich schon 2 mal (in d. Jahren 74 u. 93) untergekriegt hat, überfiel mich im Sommer wieder, u. da hier in dem kleinen Nest keinerlei geschulte Pflegkräfte zu haben sind, u. m. lieben Hilfsschwestern

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mit ihren 70 Jahren meinen 135 [illegible; a weight measure?] schweren u. von den Hüften an abwärts [strikethrough, 1 word] total gelähmten Körper beim besten Willen nicht regieren konnten, sondern so elendiglich mit mir herumtrudelten, daß mir das Leben zur Qual ward, entschloß ich mich nach einigen Wochen für's Krankenhaus. Dort fühlte ich mich - im Gegensatz zu hier - wie im Himmel; die Pflegeschwestern waren geschickt u. freundlich u. der Arzt klug u. sorgsam. Er hat mich so weit wieder hergestellt, daß ich vor 10 Tagen heimfahren konnte. Allerdings noch mit sehr steifen geschwollnen Händen u. sehr wackligen Knien. Den ganzen Winter hindurch soll ich noch sehr vorsichtig sein;

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während der naßkalten Herbststürme am besten im Bett bleiben. Na, ersteres gedenke ich zu befolgen, letzteres aber nicht: ich muß sehr fleißig sein, um das Loch in meiner Kasse wieder zu stopfen. Es war ein Glück, daß ich vorsichtigerweise schon angefangen hatte, für m. Augenoperation zu sparen; u. ein noch größeres ist es, daß diese noch um ein Jahr hinausgeschoben ist. (Es ist grauer Star u. der entwickelt sich sehr langsam bei mir. Braver Piepmatz!) -

Hoffentlich hast Du, lieber alter Joseph, dafür im verflossenen Jahr - seit ich keine Nachricht von Dir hatte - völlige Genesung gefunden u. hast Deinen Geburtstag in der neuen Villa vergnügt u. fröhlich feiern können, mit allen Kindern u. Enkeln. Klein-Teddy konnte Dir doch gewiß schon entgegen [underline:] laufen [/underline]?

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Möchte Dir u. Euch Allen Euer Glück auch im neuen Lebensjahr erhalten [insertion:] bleiben [insertion] u. Du immer gesünder u. kräftiger werden, alter Joseph! Das wünsche ich Dir von Herzen. -

Von unserm Familienkreis ist wenig zu erzählen. Wir altern Alle nach u. nach. Schwester Auguste am behaglichsten: Frieda hütet sie wie ihren Augapfel, hat durch ihre Musik eine ganz einträgliche u. angesehene Stellung in Hasserode u. giebt am 28sten wieder ein Konzert mit Berliner Künstlern. - Max's Ältester (Albert) wird Ostern schon eingesegnet; er hat in den großen Ferien die weite Reise bis Hasserode ganz allein gemacht, worauf er u. Großmama Auguste nicht wenig stolz sind. - Wäre Max nur erst wieder pecuniär so gesichert, daß er seine Rückzahlungen bei uns beginnen könnte. Das wäre für Bruder Albert auch besser: ich könnte dann mehr für ihn tun. Jetzt stümpert er sich mit

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Übersetzungen aus d. Spanischen kümmerlich genug durch. -

[The remainder of the letter is written in the margins of the preceding pages, in backwards order:]

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Nanni, die seit Walter Allstädt auch ein kleines Mädchen (Ingeborg) hat - dreifache Schwieger= u. Großmutter ist, war im Sommer mit ihrem Mädchen im

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Oberharz, wohin die verschiednen Allstädts mit ihren Kindern auch abwechselnd kamen. Sie fühlt sich in ihrer Grunewald-Wohnung bei Berlin noch [insertion:] immer [/insertion] sehr wohl, fängt aber leider an, etwas schwerhörig zu werden. -

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Nimm für heut mit diesen Zeilen vorlieb. Ich bin noch nicht sehr kräftig u. Schreiben strengt mich noch sehr an. Mit den herzlichsten Grüßen für Dich u. alle Deinen Lieben [?] Immer Deine Ta. [/?] [illegible, 1 word] A.