Sammlung: Benecke Family Collection

Verfasser: Frieda Amerlan

Empfänger: Josephine Amerlan (Benecke)

Bezeichnung: Brief von Frieda Amerlan an Josephine Benecke, 26. Oktober 1907.

Frieda Amerlan an Josephine Benecke, 26. Oktober 1907

Original text

Krefeld, Sonnabend

d. 26. 10. 07.

Mein geliebter alter Joseph!

Heut vor 14 Tagen grade seid Ihr zu Schiff gegangen u. inzwischen, so Gott will, gesund u. wohlbehalten bei Euren lieben Kindern u. Enkeln angekommen. Unsere Gedanken haben Euch auf der ganzen Reise begleitet; u. das schöne Wetter, welches wir hier hatten, freute uns hauptsächlich um Euret willen. Es trug hoffentlich dazu bei, besonders Dir die Überfahrt zu erleichtern u. Dich vor der bösen Seekrankheit zu bewahren. An Louis dachten wir natürlich auch, aber ohne

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Sorge, Gott sei Dank. Er ist ja wetterfest u. wenn es [underline:] Dir [/underline] gut geht, geht es diesem Ideal-Ehemann ja auch gleich gut. Sag ihm vielen Dank für seinen Gruß aus Cherbourg. -

Und wie gern malen wir uns Eure Ankunft in Brunswick aus! Es war sicher eine spendid reunion, wie Dora schrieb. Otto ist Euch sicher entgegen gefahren. Aber wer noch? u. wo saht Ihr Klein-Theddy zuerst? Und war Lucia mit ihrem little one wirklich schon da? u. Louis aus Kansas City u. C.C. vielleicht auch? Es sind viel fröhliche

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Vermutungen, die unsere Gedanken beschäftigen u. das tut uns gut, denn über unser eignes Leben hier hat sich inzwischen ein tiefer Schatten gesenkt: unser lieber Rudolf ist am 17ten d. M. sanft entschlafen. In den letzten 24 Stunden saßen wir Beide in Köln still an seinem Bett. Er war schon bewußtlos u. blieb ihm der Schmerz des Abschiedes erspart. Martchen trägt ihren schweren Verlust tapfer u. gefaßt: Der Ausspruch der Professoren, daß Rudolf selbst nach erreichter Genesung ein gebrochener u. siecher Mann bleiben würde, hilft ihr: Sie weiß, daß [underline:] das [/underline] für sein

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tätiges Naturell unerträglich gewesen wäre. In diesem Gedanken gönnt u. segnet sie ihm seine Ruhe u. versucht, sich an ein einsames Leben zu gewöhnen. Mir ist es eine große Beruhigung, daß der gute liebevolle Bruder durch Lebensversicherung u. Testament ihr eine (wenn auch bescheidene) wirtschaftliche Selbstständigkeit gesichert hat. Wo sie ihr Zelt mal aufschlagen wird, ist noch unbestimmt. Vorläufig ist sie durch den Mietsvertrag u. a. m. ja hier gebunden.

Sie schickt Dir u. Louis viel, viel herzenswarme Grüße; es tut [insertion:] ihr [/insertion] noch immer leid, daß weder sie noch unser armer Rudolf die Freude hatten, Euch zu sehen. -

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2.

Auch für ihren Anteil an den lieben Bildern, die Schwester Auguste uns sandte, dankt sie Euch herzlich. Ebenso ich; ich freue mich innig, nun all Eure lieben u. schönen Kinder beisammen zu haben. Sobald ich erst wieder zu Haus, besorge ich mir hübschen großen Familienrahmen, da kommt Ihr Alle hinein. Dann wird er auf meinen Sofatisch gestellt u. wenn ich davor sitze, wird es mir sein, als wäre ich mitten unter Euch. Hat mir unser Plaudern im Sommer u. Doras reizende gossip letters doch auch Eure Kinder so viel näher gebracht. Als ob ich sie wirklich kennte.

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So, lieber alter Joseph! jetzt giebt es mal erst ordentlich Schelte. Weißt Du auch wofür? Für den wunderschönen seidnen Paletot. Der ist ja viel zu schade für mich. Was wird Dora sagen? sie will doch gewiß solchen Staat mit Dir machen, nun Du so frisch u. gekräftigt aus Deutschland heimgekehrt bist. Und Deine "Kleiderkasse" ist doch gewiß ganz leer! Die habe ich Dir ja endlich verjubeln helfen im Harz. (Denkst Du noch manchmal

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daran, daß wir in unsrer Jugendzeit mit monatlich 2 Thalern Toilettengeld auskommen mußten?) Martchen war entzückt von dem Paletot u. freute sich, daß sie [insertion:] mit [/insertion] mir Staat machen konnte in dem eleganten Krefeld. Das Wetter erlaubte es noch ein Weilchen. Und wie er mir paßt - das ist beinahe ein Wunder. Also sollst Du nach der Schelte doch einen sehr, sehr herzlichen Bedank-Kuß für das schöne Geschenk haben. -

Seid Ihr denn schon zum Auspacken Eurer Mit=bringe= Geschenke gekommen u. habt Freude damit gemacht? Du mußt mir später

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mal ganz ausführlich schreiben, was Lucia u. Dora zu den herrlichen Gedecken gesagt u. Alma zu ihrem Armband? Und ob der "Raubritter" u die [?] Regenstein [/?] - Lampe Furore gemacht?

Unbescheidnerweise hoffe ich ja heimlich darauf, daß Louis [insertion:] schon vorher [/insertion] in Hoboken an unsre Sorge um Deine Gesundheit gedacht u. uns [insertion:] dort [/insertion] noch mal eine Karte geschrieben hat. Wir rechneten jeden Tag der Seereise nach u. ich war erst ruhig als Ihr wieder auf festem Lande. Möchtet Ihr so frisch u. gesund angekommen sein, wie Du es hier im Harz warst. Das wünscht von ganzem Herzen mit den innigsten Grüßen für Euch Alle Eure tr. Tante Friedchen.