Sammlung: Benecke Family Collection

Empfänger:

Empfänger: Josephine Amerlan (Benecke)

Bezeichnung: Brief der Familie Benecke, 10. Dezember 1907.

Brief der Familie Benecke, 10. Dezember 1907

Original text

Krefeld 10. 12. 07.

Louisenstr. 38 I

Mein lieber alter Herzensjoseph!

Vergnügte Feiertage u. ein glückliches neues Jahr wünsche ich Dir u. Louis u. all Deinen Lieben dort! Möchte vor allem Deine Gesundheit sich noch immer mehr befestigen, damit Du von Eurem "trip" in unsre deutschen Harzberge nicht blos fröhliche Erinnerungen sondern auch dauernden Gewinn mit heimgebracht hast u. Louis, Dein gallant husband, [underline:] wirklich [/underline] Lust kriegt, diese Arznei in einer zweiten Dosis anzuwenden. Ach, Jose, es war doch zu schön. Ich denke noch so oft u. mit so großer Freude daran zurück, daß ich Louis immer noch ein Mal dafür danken möchte.

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Auch meiner Gesundheit hat es gut getan. Ich glaube nicht, daß ich diese anstrengende u. aufregende Zeit hier in Krefeld sonst so gut überstanden hätte. Jetzt sind wir endlich in "Ruhe" gekommen. Rudolfs Nachfolger übernahm das Haus mit den [illegible] Da war Martchen eine große Menge los; fand auch zum Glück auch gleich eine freundliche kleine Wohnung (Louisenstr. 38) u. verkaufte einen Teil ihrer Sorgen ohne großen Schaden, so daß sie mit dem Rest Platz hat. D. h. bis zum Frühling. Wenn Rudolfs Hügel begrünt ist, verläßt sie Krefeld u. geht nach Forst i. d. Lausitz, wo auch [?] Mätes [/?] älteste Tochter verheiratet ist. Ihr Schwager holt sie sich als seine liebe kleine Frau. Im März lassen sie sich hier am Rhein bei einem bekannten Pastor in aller Stille trauen. Das war der rechte Balsam für Martchens wundes Herz: sie hat nun doch wieder eine Heimat u. jemand, den sie pflegen kann.

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Otto Schultze (er ist auch Baurat) ist ein lieber prächtiger Mensch, den auch ich sehr gut leiden kann. Martchen war ein Kind als er sich mit Wita verlobte; u. er hat ihr - solange sie unter Fremden sein mußte - immer in herzlicher brüderlicher Zuneigung beigestanden. Seit 9 Jahren ist er Wittwer, seine beiden Kinder sind schon aus dem Hause, Marta steht allein - da ist es gewiß richtig, daß sie ihr Alter gemeinsam verleben. Ich freue mich herzlich darüber; für die andern Verwandten ist es noch ein Geheimnis; sie sollen erst davon hören wenn er hiergewesen ist. Bis jetzt war's brieflich. Du bist die erste, die es erfährt. - Wenn dieser Brief pünktlich ankommt, kannst Du zwischen Weihnachten u. Neujahr an uns denken. - Dann ist er hier.

Bist Du denn auch aus Chicago gesund u. glücklich heimgekehrt? u. hast Lucia u. das Kleine schon ganz kräftig gefunden? Und Theddy u. den C'. C'.=Papa vergnügt? Für diese, Eure

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lieben little ones geht heut ein Buch mit unsern alten deutschen Kinderliedern und Verschen an Dich ab. Die Melodien sind auch dabei. Da kann Alma sie singen u. Großvater Louis sie auf der Zither begleiten. Wenn das Wetter bei Euch so nicht ist wie hier, können Zillmanns [strikethrough:] zu [/strikethrough] gewiß das Weihnachtsfest bei Euch verleben. Wird das schön sein, wenn Grossie als treues Gluck-Hennechen all ihre großen u. kleinen Kükel mal wieder um sich hat: Ludwig darf natürlich auch nicht fehlen. Von dem Krach der Kansas-City-Bank ist er hoffentlich nicht in Mitleidenschaft gezogen? Ich erschrak zuerst. Du kannst Dir denken, mit welchem Interesse ich jetzt alle Nachrichten aus Eurem Lande lese, seit ich durch Louis' Erklärungen die politischen u. andere Verhältnisse so viel besser verstehe. - Auch Doras liebe interessante gossip letters habe ich nicht vergessen u. zittere vor einem neuen

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Act in der [?] Dorance [/?]-Tragödie. Na, u. auf das Geheimnis Eurer Nachbarin bin ich natürlich schon brennend neugierig. - Im Harz hat es bereits geschneit, doch hoffe ich, daß Auguste u. Frieda da trotzdem munter sind. Letztere hat sehr viel mit ihren beiden großen Konzerten zu tun gehabt u. ich deßhalb wenig Nachricht gehabt. Schwester Auguste kann bei dem trüben Novemberwetter mit ihren schwachen Augen schlecht schreiben. - Die Münchner sind munter u. arbeitsam. Möchte es doch Max' Intelligenz gelingen, sich bald wieder eine gesicherte Position zu schaffen. Die drei Jungen machen ihnen

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Freude; sie sind gesund u. fleißig in der Schule. - Von Deinem Paten, Oberförster Hermann, kann ich Dir gar nichts sagen; der ist nämlich von allen schreibfaulen Schönsten der allerfaulste. - Martchen wünscht dringend, daß ich bei ihr bleibe, bis sie Krefeld verläßt. Und da es bei den verschiedenen, wenn auch kleinen Vorbereitungen für sie sehr schmerzlich wäre so ganz mutterseelenallein zu sein, werde ich wohl bis zum März bleiben. Dann aber sehne ich mich auch nach Hause. - Die Weihnachtstage, die der gute Rudolf für Martchen stets ganz besonders reich u. festlich gestaltete, werden ihr noch sehr

[left margin, page 6:] schmerzlich sein. Deßhalb kommt bitte auch erst nach dem Fest.

[left margin, page 5:] Martchen schickt Euch auch viel herzliche Grüße. Sie kann noch gar nicht verwinden, daß sie Dich u. Louis nicht gesehen hat u. sagt

[left margin, page 4:] Hoffentlich freust Du Dich ein bischen wenn Dir Otto diesen

[left margin, page 3:] Brief bringt? Ist der gute Junge denn noch allen Schlingen der

[left margin, page 2:] [?] Postschwestern [/?] glücklich entgangen? Und wie steht Ruby mit seiner Eleanor?

[left margin, page 1:] Leb nun wohl, liebe kleine Jose! Grüße Deinen Louis innig, auch alle Deine Kinder, u. sei Du selbst in treuer Liebe geküßt von Deiner alten Fr. A.