Sammlung: Charlotte Fischer von Höfeln Letters

Verfasser: Auguste Finckh (Palm)

Empfänger: Charlotte Fischer (von Höfeln)

Bezeichnung: Brief an Charlotte von Hofeln von ihrer Cousine Auguste Finckh, 28. Dezember 1851.

Auguste Finckh an Charlotte von Höfeln, 28. Dezember 1851

Original text

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Kirchheim den 28 Dez 1851

Innigstgeliebte Lotte!

Du hast uns lange recht lange warten [insertion:] lassen [/insertion] wir gaben fast dem Gedanken Raum, ob du noch unter den Lebendigen weilest; nun hat uns deine ausgebreitete Mittheilung am 28 Nov. um so mehr erfreut und über dein Wohlergehen beruhigt. Ich brauche dir nicht erst zu sagen, wie wir dich nach dem herben Abschied in Gedanken bei Tag und im Traum begleiteten, wie wir über deine Ankunft rechneten und uns deinen neuen Aufenthalt ausmalten, du dachtest ja auch an uns und dieser wechselseitige Gedankenflug verbundener Seelen ist ja ganz natürlich. Durch deinen lieben Brief der uns und allen Freunden welchen er mitgetheilt wurde große Freude machte, sind wir über alles ins Klare gesetzt, und dein Stübchen kommt mir recht traulich, nachdem ich der interessanten Beschreibung von der großartigen Natur, Sitten und Gebräuchen jenseits des Oceans gelauscht habe, setze ich mich neben dich, und erzähle wie es uns bisher in der Heimath ergieng. Zwar habe ich dir keine ausserordentlichen Dinge zu berichten, es ist im ganzen alles beim Alten, nur daß durch das nasse für den Landmann und besonders den Weingärtner ungünstige Jahr die Verarmung [word missing in a torn fold] eine bedauerliche Weise zugenommen hat; Ich [footnote: torn paper] kann dir unmöglich in wohlgeordneter Reihe meine Gedanken nacheinander setzen, es fdrängt sich mir zu viel auf einmal auf, und du mußt mich entschuldigen wenn ich dir wahres Quodlibet vorführe.

Wir hatten uns gottlob sämtlich der Gesundheit zu erfreuen, die Liebe Mutter stärkte ihre Glieder diesen Sommer durch den Gebrauch des Wildbades, und hatte als Beglei= terinnen F´Doctor Hauff u F. Becker, Gölz; Manchmal regen sich die alten Schmerzen besonders bei Anstrengung und Witterungswechsel, doch erweist sich bettwärme und Ruhe stets als den Besten Arzt. Tante Mine ersetzt bei uns bis in die letzten Wochen, worin sie zur Aushilfe nach Laufen gebeten wurde der Carolin an Stelle, und schickt sich viel besser als diese in die Hausordnung gegenwärtig sind wir allein, selbst unsere beiden guten Mohrchen erheitern uns nicht mehr durch ihre posierlichen Springe und schmeichelnden [illegible] die langen Winterabende, der treue Wächter kam mit Christine nicht mehr vor 4 Wochen vom Markt zurück, und ist wahrscheinlich von der Landstreichers Familie in Öthlingen gefangen und verzehrt worden. das niedliche Kätzchen hat wegen gänzlicher Dienstunfähigkeit und Stehlerei abgedankt werden müssen, ihr schwarzer glanzender Pelz wird der Mutter Schmer= zen gut kommen.

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Bei deiner Julia hat die die schwesterliche Liebe der Leidenschaft je länger je mehr Platz [footnote: complicated insertions] gemacht, es ist nun auf diese Art am besten für sie, hier hätte es doch schwer gehalten sich das Brod zu verdienen. Einem Brief zum Gottlob zufolge hat sie seine Erwartungen noch übertroffen. Mit Julia machte ich diesen Sommer an einem Sonntag eine Fahrth nach Kornthal, es war mir recht innig wohl in dieser Gemeinde die mich so lebhaft an Neuwied erinnerte. Mina hat sich sehr zu ihrem Vortheil verändert, sie ist sehr sanft und fein im Benehmen, auch wird sie [insertion:] von [/insertion] Lehrerinnen u Schülerinnen geliebt; Lina Kaim besuchte uns auch mit einer Freundin, einer Italieners von sehr interessantem Äußerem die 4 Sprachen spricht; unter den Bewohnern Kirchheim sind seit längerer Zeit 2 zierliche mädchenhafte Jünglinge, mit langen Blonden Locken, und sonderbarer Kleidung unter dem Gouvernement einer Tante stehend, sie gelten für Franzosen und erregen großes Aufsehen. Das Göppinger Frauenstift wird bis zum Frühling hieher übersiedeln, bereits ist der Bau, Notar Praus Wohnung angekauft, und haben die mithigen [or, nöthigen] Reparationen, und [strikethrough] nötihr [/strikethrough] [?]Leerräumen[/?] [strikethrough] gel [/strikethrough] begonnen, es ist ein äußerst passendes Lokal. Schuhmacher [?] Mohrinereg [/?] ist, bald nach deiner Abreise von seiner gebrechlichen Hütte erlöst worden, die Witwe treibt unter Kummer und Thränen das Geschäft fort; auch die felsenfest scheinende Ernestine Hafner ruht von ihrer regen Thätigkeit; für immer. Sie [word missing due to tear] Stuttgart um [footnote: torn page] ihren Bruder dessen Frau im Wochenbett starb, zu unterstützen strengte sich besonders mit der Pflege des kleinen zarten Kindes zu sehr an, erkrankte, würd hier noch einige Wochen von Frau Pfarrin gepflegt starb dann ganz unerwartet nach heftigem Kampf. bei der Section ergab sich ein organischer Herzfehler, als Ursache ihres Todes, Fr. Pf Dörmacher pflegt jetzt die kleine liebliche Waise trotz eigener Kränklichkeit. Brautschaft trugen sich ebenfalls etliche zu die in deinem Interesse liegen Hl Pfarrer Waihinger, ist der Gatte einer sehr gebildeten Pfarrers Tochter, (Bäschen von Pfarrer Haugs in Jesingen [strikethrough:] G [/strikethrough] er ist recht von festem Charakter, und man sagt [insertion:] sie werde [/insertion] ihm wenns noth thut mit dem Maß zu messen womit er vorher maß. Herr Helfrich hat eine Nürnbergerin zur Frau, Tochter eines Schulmeisters Emmerling von Werth; Nane Mezger von Mezingen verheirathete sich an Pfarrer im Remsthal, Wittwer mit 2 Kinder ein ganz braver Mann und ist recht glücklich. Emma Stachl entschloß sich ebenfalls zu einem Wittwer mit 2 Kinder, in Calw wo Mutter und Schwestern sie abwechselnd besuchen. Elise Köbel ist in jüngster Zeit, Viktor Nefflins erklärte Braut, ebenso hat F.Auguste

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Beck in Göppingen ihr Ja gegeben das ihre Maria mit einem Lieutenant vereinigt Auch H. Rahtletker hat für seine Nane bald eine Aussteuer zu richten der Bräutigam ist der Stadtschuldheiß eines Landständchens. H. Kaim der sich bei Lesung deines Brief häufig [strikethrough:] seine [/strikethrough] die gleichen Beobachtungen und Gefühle geschildert fand, hat trotz der Geschäfte Drang versprochen dir eigens Briefchen beizulegen, und wird ohnezweifel den Namen seines Bräutchens nennen, diese Feiertag bringt er natürlich bei ihr in Schorndorf zu, sie ist wie für ihn gemacht.

Louise Buhler schrieb mir auch von Paris, ihr Mann kam auf einer Geschäftsreise hieher, und brachte mir als hübsches A[n]gebinde eine silberne Armspange mit; nach allem zu schließen ist sie nicht sehr glücklich, einen deutschen Gottesdienst hatte sie noch nicht angewohnt, ihres Herzens Wonne ihr Kind forderte Gott nach 1/2 Jahr wieder, Magdunglück kam auch über sie, und ihr Mann scheint ganz in Spekulationen gebraben zu sein. Die jüngste Schwester Mathlida starb an der Auszehrung, durch F dieses Erb wurde die arme Hanne doch in einen etwas Besseren Stand versetzt; Unseren Nürtinger Tanten geht es ziemlich hart, Louise bekam ohnelänst einen Ohnmachtsanfall [was: Ohnmachtsallnfall], wobei sich dann Maria so sehr allterirte, daß sich Herzklopfen und zittern einstellten, die temperamentvolle Caroline mußte Diakonissin sein. alles so theuer und u Geldmangel.

Der l Oncle in Zell wurde diesen Winter wieder von seinem Podagra übel heimgesucht, und mußte 14 Tage das Bett hüten, am Christfest war es ihm wieder möglich nach längerer Zeit zu predigen, heute hatte Friz, Pauline Enslin und mich in seinem Schlitten nach Zell kutschiert, auf der Heimreise war die Kälte so grimmig daß Fritz nach Studentenweise, wärmere Bekleidung verschämend, sich geberdete als hätte er die Glieder [insertion:] halb [/insertion] erfroren. Der rothe Fritz ist noch zu Haus von einem Hofmeister Unter= richt erhaltend, bereitet er sich auf die Pharmazie vor und wird bis kommenden Frühling bei Oncle in Göppingen in die Lehre eintreten, er ist ausnehmend kräftig man hält ihn für 16 J. seine Stimme ist bereits Gebrochen, das Fußübel bei= nahe gänzlich geheilt. In Göppingen war ich schon längere Zeit nicht mehr doch befinden sie sich alle wohl, die Kinder sind wie mir die l Mutter die kürzlich einen Besuch machte, sagte, recht lieb, besonders die 3 kleinen. Rosa u Lolb lernen Klavier und besitzen bereits ein ausgezeichnetes Piano am Ton u Außerem brachten es auch schon zu einem Choral als Weihnachtsgeschenk dem Vater der seine Herzens Lust daran findet. Frau Oberhelferin ist dein Brief zugekommen doch weiß ich dir nichts neues von ihr zu sagen; diesen Herbst hatten wir die Ehre von Herrn Helfer von Calw einen Besuch zu erhalten, er war

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auf der Rückreise von Tübingen, wo er einer Taufe bei Amtmanns beiwohnte, H. Helfer ist ein sehr zierlicher Mann geht noch immer auf Freiers= füßen, diesen Sommer war er in London, und erzählte uns manches von seinem angenehmen Aufenthalte dort, H. Adolph wird noch ein Jahr in England bleiben. Frau Obh. wechselte ihre Jungfer schon wieder am Martini. Natalie Autenrieht ist Braut mit einem Helfer in Reutlingen Recht liebe Tübinger Besuche, weilte 8 Tage in unserem Hause währ= end der Herbstferien. Es war H. Professor Beck mit fast seiner ganzen Familie [insertion:] Frau u 5 Kinder [/insertion], ihr Plan war eine Erholungreise in die Schweiz zu machen und bei uns blos zu übernachten, er kam zu Fuß hatte sich unterwegs vorher erkältet, bekam Fieber das sich am 2t. Tage noch steigerte so daß die Schweizertour bald in die Schanze geschlagen werden mußte und volle 8 Tage nötig waren bis er wieder kräftig genug für die Heim= reise war, in dieser Zeit lernten wir den lieben Mann recht kennen, auch mit mitunter seine Sonderbarkeiten so z B. ist seit Jahren kein Arzt in sein Haus gekommen, er kuriert alle Krankheiten mit Wasser u. Homöopathik welche Mittel er auch hier anwendete. Er geht jeden Tag womöglich spazieren, ist [strikethrough:] voll [/strikethrough] [insertion:] die [/insertion] Einfachheit selbst, in seinem ganzen, aber die Liebe Christi leuchtet aus seinem Angesicht, das ist es auch, was den Unbekannten gleich für ihn einnimmt. H. Helfer Fulder ist sein treuer Schüler er besucht ihn oft, wenn es mir möglich war suchte ich einen Brocken der Unterhaltung wegzuschnappen. Die Töchter sind ebenfalls angenehme Frauenzimmer, und an Mathilda der 3 ältesten habe ich einen aufrichtige Freundin gewonnen, diese erfreuten die l Mutter mit einem wunderniedlichen Fußschemel [insertion:] zu Weihnachten [/insertion] ein Maskissen mit versetzten Rosen vorstellend, aus verschiedenen Schattierungen grüner Wolle gestrikt welche wieder aufgezogen wird und dann masartige aussieht. Der junge Beck hat sein Geschäft als Seifensieder in Balingen angefangen und erfreut sich eines guten Fortgangs eine ältere Schwester Thekla hält im [illegible] schon Haus, und ist wirklich ganz wie gemacht für diesen Beruf obgleich sie ihn nur aus Gehorsam gegen den Vater übernahm. Aufs Frühjahr wird meine Reise nach Tübingen in Ausführung gebracht, und freue mich recht darauf. Friz predigte in diesen Feiertagen in Albershausen, doch geht es ihm immer noch schwer, wenn er nur endlich die Furcht ablegen könnte die Arbeit selbst wäre nicht so übel.

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Ich bedauer daß mein Brief durch die öfter Unterbrechung beklext wurde, auch wirst Du viele Fehler entdecken.

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Noch weißt du nicht, meine liebe gereiste Lotte; daß auch ich heuer ein wenig die Welt sehen durfte, und zwar auf Kosten meiner 3 Oncle‘s, von Zell Alb. u Göppien in noch weiterer Begleitung Paulinens von Albershausen. Es war in den schönsten Tagen des Juli's ja des ganzen Sommers, als ob genante Gesellschaft, per Eisenbahn nach Friedrichs kamen, von da über den spiegelglatten Bodensee [footnote: Friedrichs[hafen]] nach Rorrschach, St. Gallen, und sich in den liebchen Thälern von Appen= zell und Thurgau einige Tage umsahen. Ich habe für meinen Horizont viel schönes entzückendes hier genossen; ich will dir nur ein Tag unsren Glanzpunkt schildern; Früh erwachten wir im Weißbad einem Curort am Fuß des Stäntis 4 Uhr setze sich die Gesellschaft geleitet von einem tüchtigen Führer in Bewegung versehen mit tüchtigen Alpstöcken, mit deren Hülfe wir nach 4 stündigem Steigen, das Wildkirchli eine am Abhange stehende Capucinerklause erreichten, diesebe wie die Kappele in eine grottenartige Vertiefung gebaut, über sich noch dieine Felsenmasse von 500 Fuß habend. (Pauline half dem Bruder Capuziner [insertion:] ein äußerst [/insertion] das Schweizerfrüh= stück, aus Kaffee mit Butter u Honig bestehend bereiten) nun stiegen wir aufwärts in den Windungen deiner Höhle, die unser possirlicher Capuziner mit Fakeln erleuchtete, und gelangten auf die Ebenalp wo uns nebst botanischem Reichthum und balsamischer Dülfte eine ausgezeichnete Aussicht zutheil wurde, namentlich auf Tyrols Schneegebirge im Heimweg sah ich den Bodensee ziemlich bewegt und dachte an dich und deine Meereswellen, meine Vorstellung wird wahrscheinlich aber bedeutend hinder der Wirklichkeit zurückbleiben; doch sah ich auch unsere sonst so friedliche Lauter am großen Unglückstage wogen, als wäre sie ein halbes Meer, so weit verbreiteten sich die Fluthen daß viele Leute in der Nähe des Todergarten sich und ihr Vieh flüchten mußten; bis zur Hälfte an [?] Kayhers [/?] Haus um auf der anderen [?] Seite [/?] bis zu dem unserer Milchfrau reichte das Wasser; Enslin hatte zur allgemeinen Freude zwei Badhäuschen für allgemeine Benützung erbaut, die als bald ein Raub des verheerenden Elements wurden. In Carlas war der Jammer besonders groß, der l H. Prälat Moser befand sich gerade dort, und hätte beinahe sein Grab in den Wellen gefunden, das Wasser stürzte sich von mehreren Seiten dem Orte zu, wo er sich befand. Von der Huldigung des Königes von Preußen, in den Hohenzollerischen Landen auf seinem Stammschloß Hohenzollern selbst hast du vielleicht auch in den Zeitungen gelesen, er nimmt in meiner Zuneigung je länger je mehr ab. Bei Frau Gmehlen durfte ich diesen Herbst das Plattsticken erlernen mein erstes Stück war ein Blumenbouquet auf schwarzes Tuch, als Überzug auf der l Großmutter Lehnsessel, das neu aufgepolstert zugleich mein Christgeschenk der l Mutter ausmachte, uns glücklicher Weise nicht vorher verrathen wurde, für Friz machte ich eine Weste

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und ein Cigarrenetui auf Leder mit Seide und Stahlperlen, diese Art zu sticken ist sehr modern. Die Conversation bei F Gmehlen bezog sich gar oft auf Amerika, wer ihr irgend etwas davon mittheilen kann, kommt nicht so bald von ihr weg; ihr Laden ist immer noch nicht verkauft; u stehst in gutem Andenken bei ihr, die ganze Familie trägt mir die schönsten Grüße auf. Marie bekam ein recht ordentliches Clavier, sie ist ganz überglücklich damit, Sophie hat auch Lust, das Clavierspielen anzufangen. Doch ist sie durch den Laden gar zu sehr in Anspruch genommen. Den Plan nach Chili n auszuwanden hat F Gmehlen jetzt aufge= geben indem sie in Erfahrung brachte, daß die Katholischen Ein= wanderer hauptsächlich dorthin gesucht und begünstigt wären. Der Katholizismus [Katholischzismus], regt sich bei uns auch wieder stark, es wurden im Oberlande, und auch im benachtbarten Wiesensteig Jesuitenmissionen gehalten, die Tausende von Zuhörern an= lockten, welche auch bei manchen des irregeleiteten Volkes durch ihre Popularität, und oft treffende Beispiele, ihres Eindrucks nicht verfehlten. In unserer evangelischen Kirche ist da= gegen auch eine neue Einrichtung gemacht worden. Jede Gemeinde besitzt jetzt Kirchenälteste, (aber einen Pfarrgemein= derath) Männer deren Anzahl [insertion:] der [/insertion] Größe der Gemeinde entspricht, die verpflichtet sind, für eine bessere Sonntagfeier zu sorgen, Krankenbe= suche zu machen, für Arme zu sorgen, die Jugend zu beaufsichtigen. Die Meinung über dieses Institut ist auch unter den Glaubigen sehr verschieden, einige halten es blos für ein äußeres Mittel womit der Kirche doch nicht aufgeholfen wird, andere dagegen sehen es für bauen große Stücke darauf; Hier sind unter anderem gewählt, H. Oberprätzäptor Braun, Haug, Schmückle, Kübler, Steinhauer, Kauf. Rupp, Schulmeister Rietmüller, H. Oberamtrichter Schott.-

Diesen Sommer war Schwester Mortimer von Neuwied hier durch sie erfuhr ich, daß Schw. Merian jetzt Lehrerin in Montmirail ist, Schw. Blickensdürfer verheirathet an den Vorsteher in Neuwied, die alte Schw. [?] Curi [/?] heuer noch eine Reise nach London gemacht hat, Thusnelda Krauser von Stuttgart, wird bis zum Frühjahr in das Institut kommen, ich freue mich durch sie wieder nähere Nach= richten zu erlangen, denn es ist und bleibt mir der dortige Aufenhalt immer eine theure Erinnerung.

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Zu Weihnachten wurde ich von der l Mutter durch Gallachen einem Buch „ Fritjhofsage“, aus dem Schwedischen übersetzt, fortlaufende Gedichte die diese Sage aus der nordischen Vorzeit behandelte, und einem bunten [roman:] Longswahl [/roman] den ich mir zwar selber in Stuttgart kaufen durfte erfreut, der l Mutter wäre es zwar lieber gewesen, [insertion:] wenn [/insertion] ich mir stattdessen einen schwarzen Mantel gewählt hätte. Diese sind heuer stark in der Mode, Kleiderstoffe, trägt man sehr viel bundcarrirt, die Hüte sind vorn [illegible] u. heuer weit, ohne Band, dagegen [strikethrough:] zeug [/strikethrough] von Zeug selbst garnirt. Innwendig hat man Schnillien auch Sammt. Filetarbeiten sind immer mehr en haut, besonders sieht man viel Chemiseten. Das beifolgende Körbchen ist eine Arbeit, die Du bei uns zwar schon gesehen hast, in Amerika noch neu sein dürfte, nimm es als einen kleinen Beiweis alter Liebe auf. Herrn Dr Hauff meldete ich Deine Grüße, er erkundigte sich angelegentlichst nach Dir; Frau [roman:] Batorin [/roman] ist seit dem Gebrauch des Wildbades beinahe ganz contrakt, jeglicher Arbeit unfähig, sitzt oder liegt sie gewöhnlich auf dem Sopha und bewegt sich nur mühsam mit Hülfe eines Stockes in ein anderes Zimmer; eine Wassercur die sie schon 2 Monate gebraucht, blieb bis jetzt Erfolglos, und gibt auch für die Zukunft wenig Hoffnung. H. Stadtvikar Burk, wird noch längere Zeit hier bleiben, er gibt den Fräuleins im Hause immer noch Unterricht im Englischen. H. Löffler ist je länger je mehr in der allgemeinen Achtung gesunken, so daß er nur noch wenige Schüler zählt, ich gab meine Stunden schon längst auf, er entlehnte bei uns (wie in allen Häusern wo er einigermaßen bekannt war) mehrere mal Geld, man wundert sich wie er sich hier halten kann. Dr. Hausmann zog in jüngster Zeit von hier nach Wildbad, aus Veranlassung des Todes von D Schweigte daselbst, bereits habten sich dort mehrere Doctoren angesiedelt. Mit dem Garten hatten wir unsere liebe Noth so oft wir die Rabatten und Länder gefelgt hatten kam ein Platzregen oder Hagel (einmal war er bedeutend) der uns nöthigte die Arbeit von vorne anzufangen, auf der anderen Seite richtete Ungeziefer jeglicher, bedeutende Ver= heerungen an; und was sonst Lust ist war heuer eitel Mühe und Arbeit; Die leidige Kartoffelkrankheit suchte unsere Gegend ebenfalls stark heim, auch kam sie hie u. da an Bohnen und dem Laub der Apfelbäume in der Form schwarzer Dupfen vor. Aus den Zeitungen ist dir vielleicht bekannt daß die selbe Krankheit in Italien und einem Theil der Schweiz bedeutenden Schaden verursachte.

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Seit ich meinen Brief begann (fügte ich fast jeden Abend einige Sätze hinzu) sind wir in ein neues Jahr eingetreten; gestern als am Sylvester Abend gedachten wir Dein und der Feier des Kreises in dem Du lebst. Ein Loos das ich Dir aufschlug steht Jes. 49, 23 Du wirst erfahren, daß ich der Herr bin, an welchem nicht zu Schanden werden die auf mich harren. Im Anschluß an diese tröstlich Versicherung wünsche ich Dir Geduld und Glauben zum ausharren in jeglicher Lage des Lebens; mag s sie so dunkel sein als sie will; halte Dich an den, welcher heißt. Wunderrath, Krafthold, ewig Vater Friedefürst; es war dieses auch das Heutige Thema Herrn Hl [illegible].

Nun lebe wohl geliebte Lotte, ich sage auf Wiedersehen und gebe die Hoffnung nicht auf noch diesseits. Vergiß nicht uns ein appartes Briefchen beizulegen und mache uns recht bald die Freude mit einem recht langen Brief. Grüße von allen Seiten begleiten meinen Kuß und Gruß

Deine

Auguste

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Herzliche Grüße von Trotschler Babette u. die kleine Marie.

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Liebe Lotte! Ich benutze noch die [insertion:] noch [/insertion] wenigen Minutendie noch übrig sind bis auf die festbestimmte Abgebezeit des Briefs um ein Lebenszeichen von mir zu geben u. Dir meine Freude zu bezeugen, daß es Dir, soweit es die amerik. Verhältnisse gestatten gut geht. – Von Herrn Weiß hörte ich durch H. Groß: derselbe sei Geflügelhändler in Newyork u. ganz am Bettelstab - Bis Ostern wird es der durch s. Wunderwonnen berühmte Pfarrer Blumhardt a. Nüttlingen der [illegible 2 words] Soll [insertion:] [illegible] käuflich [illegible 2 words] [/insertion] beziehen, um dort ein Asyl für Gemüthskranke zu errichten; Er wird aber [illegible] Pfarrer bleiben nur nicht einer [illegible word crossed out] [insertion:] [illegible] Gemeinde sondern [/insertion] der heimeligen Kranken; man sagt der Pfarrer [illegible 2 words] sich bereits wenn überhaupt haben die Pfarrer der Umgegend [two illegible words struck out] große Freude, daß ein lebendig glaubiger Mann ihnen so [illegible 2 words and strikethrough]

Unser alter Onkel Hansl wird immer krummer; es ist er tritt ganz auf der Seite des Fußes auf u. ich seh ihn schon auf dem [insertion:] blossen[/insertion] Strumpf gehen während der Schuh [insertion:]oben[/insertion] auf dem Fusse lag. -- -- -- Leider läßt er s. alte Untugend nicht. [illegible] die l. Mutter i den Feiertagen durch wiederholtes sich Betrinken [illegible] d. l. Babette, ihren Mann u. die kleine Marie herzlich grüßend dein dich herzlich liebender Fritz:

D. 2. Januar 1852 Fritz Vormittag

Meine liebe Lotte!

Wie erfreulich uns Dein Schreiben war, kannst Du denken, da wir wegen der beschwerlichen Reise, sehr in Sorge um Dein Leben waren, der l. Gott sey ferner Dein Führer und Beschüzer durch dieses mühevolle Leben, desen beistand auch ich bei dem Wechsel sehr bedürftig bin, die Noth bei uns hier zu Lande ist groß, es wird in unserer Reihe Pferdfleich gespeist u.d. armen Leute, d. Kinderbettel ist aufgehoben, dafür man zahlen muss, es bekam so Jeder täglich Brod, durch H. Gross, aber die Hussaren komen doch, in dieser beziehung habt ihr es gut. Die F. Pfr Dömmacher hat auch recht schwer, ihr kränklich Körper, keine Pflegerin mehr u: dazu das verwaiste Kind ihres Bruders in Stutg. F. Clents pleger Hinzel komt bald wieder in die Wochen, die alte F. Oberamtmann ist wohl. Das [?] Minute [/?] vergeht bei uns, sie ist recht zu ihrem Vortheil gediehn nach allen Theilen, ein Briefchen von ihrem Vater wird Sie sehr freuen, da sie schon 3. Briefe abgeschickt habe, ebenso den alten H. [?] Treischler[/?] wartet mit Sehnsucht auf einen Brief v. seinem Sohn. Die Liebe sollte warm erhalten werden, ich komme öfters zu ihm, habe ihm Wein abgekauft [illegible] Lt [illegible] 58. [illegible]. da kein Gute hier gesehen ist, er hat dah ein gutes Gemüth, u: leidet schwer durch seinen Sohn. Der Bruder des [illegible] Filius hat eine Frau, es kam als Du abgereist warst ein Brief, Carl soll die [illegible] bekommen. Bis Du einen Brief erhalst bist Du vielleicht schon eine glückliche Braut, bist Du es noch nicht, so übe mit Weile, daß man nicht verliert was man bereits hat der l. Gott sey über alles Dein Rath u. Beistand , herzlich grüßt Dich mit Babete u. H. Vetter auch [illegible]

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[?] Land und Mann Dir [/?]

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dich herzlich liebende Johann F[illegible]

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[envelope:]

Fräulein Lotte Fischer

durch Güte Peorea