Sammlung: Hilgard Letters

Verfasser: Theodor Erasmus Hilgard

Empfänger: Maria Dorothea Engelmann (Hilgard)

Bezeichnung: Brief von Theodor Hilgard an seine Mutter Maria Dorothea Hilgard, Juni 1836.

Theodor Hilgard an Maria Dorothea Hilgard, Juni, 1836

Original text

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Copie
Belleville, Illinios- Staat, Anfang Juni 1836.
Theuerste Mutter!
Mein letzter Brief an Sie war vom 29. Februar, u erst jetzt ist es mir möglich, Ihnen abermals zu schreiben. Ich
fühle, daß sie diesmal Ursache haben, mit mir unzufrieden zu seyn, weil ich meinen Termin so weit überschritten
habe. Vielleicht hat sogar dies lange Schweigen Besorgnisse in Betreff unseres Wohlergehens bei Ihnen erregt.
Und doch, beste Mutter, bin ich zu entschuldigen. Sie glauben nicht, wie vielfach, in so neuen Verhältnissen, wo alles sich
erst gestalten soll, u wo ein Geschäft das andere drängt, die Abhaltungen, u wie selten die Augenblicke sind,
wo bei der nöthigen Muße auch die rechte Stimmung zum Briefschreiben vorhanden ist. Späterhin, wenn alles
einmal in seinem gehörigen Gleise läuft, wird sich dies ändern, u ich hoffe, daß Sie immer mit meinem
Fleiße im Conrespondieren zufrieden seyn werden, wenn es nur auch nicht gerade möglich seyn sollte, ganz
regelmäßig von Monat zu Monat zu schreiben. An Stoff wird es mir in der That nicht fehlen, — wenigstens
auf lange Zeit hin; denn ich setze voraus, daß Ihnen u unsern übrigen lieben Verwandten u Freunden in Deutschland,
alle Mittheilungen, selbst über Kleinigkeiten u scheinbar unbedeutende Einzelheiten des häuslichen u bürgerlichen
Lebens hier zu Lande, mehr oder weniger interessent seyn werden, wenn sie nur dazu beitragen, das Bild
des Ganzen zu vervollständigen u ihm Farbe zu geben. Um dabei nicht in Verwirrung oder in Wiederholungen
zu gerathen, will in jeden einzelnen Briefe nur von dieser oder jener speziellen Materin reden, u diese
so viel möglich, durch das nöthige Detail zur klaren Anschaung zu bringen suchen.—
Wie billig, mache ich den Anfang mit der Schilderung unserer Wohnung u ihrer Umgebungen, um Ihnen vor allen Dingen ein deutliches Bild
unseres Aufenthaltes zu geben; denn ohne dieses fehlt jeder andern Beschreibung die nöthige Grundlage u der Rahmen.—
Vorher muß ich jedoch erst noch Einiges erwähnen, was Ihnen wohl in jeden meiner Briefe das wichtigste seyn
dürfte, nämlich wie es uns im Allgemeinen ergeht, in Bezug auf Gesundheit u Zufriedenheit u.s.w.—  Über
den Gesundkeitszustand meiner Familie kann ich bis jetzt durchaus nicht klagen. Noch Niemand war krank oder
bedeutend unpäßlich, so daß wir mit ziemlicher Ruhe u Zuversicht der eigentlich heißen Jahreszeit entgegen
sehen, obgleich man allerdings sehr viel Schlimmes von dem Sommer des vorigen Jahres erzählen hört,
u überhaupt nicht leicht Jemand antrifft, der nicht ein- oder schon mehrmals irgend eine Sorte von Fieber
gehabt hätte,— Wogegen aber von andern Krankheiten hier in der That weit weniger die Rede ist, als in
Deutschland. Die meisten Mitglieder meiner Familie, mich selbst mit eingeschlossen, haben sich bisher auffallend besser
befunden, als es in Zweibrücken der Fall war. Auch von meiner guten Frau gilt dies in Durchschnitt,— nur daß bei
der Reizbarkeit ihres Nervensystems, die Unanehmlichkeiten u Verlegenheiten, die dann u wann vorkommen
u von jeder neuen Lage unzertrennlich sind, bisweilen störend auf ihren Gesundheits Zustand einwirken, was
jedoch immer nur vorübergehend ist. Ein sehr verdrießliches Ereigniß für uns war, daß uns der Knecht, den ich
von Zweibrücken mitgenommen hatte, zu Anfang April untreu wurde u entlief, nachdem er schon eine Zeitlang
vorher sehr impertinent u anmaßend geworden war. Doch fand ich Mittel, ihm zum Ersatz der Summe, die ich
ihm für die Reise vorgeschossen hatte, zu nöthigen, so daß ich wenigstens in dieser Beziehung besser weggekommen
bin, als manche Andern, denen die mitgebrachten Dienstboten oder Arbeitsleute wegliefen, ohne daß sie zu einem
solchen Ersatze gelangen konnten. Durch diesen Vorfall, der uns, auf der einen Seite, von einem sehr unangenehmen
Hausgenoßen befreite, fielen, auf der andern, alle Arbeiten, die er bis dahin verrichtet hatte, uns selbst
aufnim. Anfangs kam uns dies wunderlich u mit unter sehr beschwerlich vor; allein nach u nach ging Alles
recht gut u ich finde nun immer mehr, daß man im häußlichen Kreise um so glücklicher lebt, je weniger
man fremder Hülfe bedarf. Was hilft alle politische Freiheit, wenn man in seinem Hause von launenhaften
u ungeschliffenen Dienstboten abhängt!— Wir haben jetzt weder Magd, noch Knecht, u doch kommen wir ganz
gut zurecht,— in manchen Dingen noch weit besser, als wenn wir das Haus voll Dienstboten hätten. Denn
"si vous voulez bien faire, faiter vous-meme!"  Übrigens läßt sich in Allgemeinen nicht läugnen, daß
eine der Haupt-Schattenseiten dieses Landes darin besteht, daß es äußerst schwer ist, sich gute Dienstboten
zu verschaffen, u daß man sie auf jeden fall übermäßig theuer bezahlen muß, abgesehen,— davon, daß die
meisten derselben, ihrer Dienstherrschaft gegenüber, das Prinzip der Freiheit u Gleichheit durch Ungezogenheiten

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geltend zu machen suchen. Doch ist es mir gelungen, in meiner Nachbarschaft einen ordentlichen u ziemlich
bescheidenen Mann aufzufinden, denn ich als Taglöhner zu Feldarbeiten gebrauche, u der sich mit 1-2 Doll. ( 1fl. 15kr.)
per Tag begnügt, was Jedermann äußerst billig findet.— Die Stimmung unter den Meinigen ist im Ganzen die
der Heiterkeit u des Frohsinn's,— u in der That haben wir auch mehr Ursache dazu, als irgend eine andern
der eingewanderten deutschen Familien in hiesiger Gegend. Ich muß in Wahrheit gestehen, daß in sehr vielen,
ja in den meisten Punkten meine Erwartungen übertroffen bei weitem übertroffen worden sind; und
wenn man auch durch Einiges — namentlich durch die ungeheuren Preise mancher in die Sphäre des Kunstfleißes
gehörigen Artikel, u überhaupt jeder fremden Hülfe — bisweilen unangenehm offiziert u auf eine sehr geregelte
Sparsamkeit hingewiesen wird, so wiegt doch das Erfreulich, Schön und Großartige des Ganzen dies bei
weitem wieder auf. Das Land, jetzt im frischen, glänzenden Gewande eines sehr schönen Frühlings prangend,
ist weit schöner, weit weniger flach u monoton, als ich mir es dachte, u als es z. B. von Duden geschildert
wird. Die Bewohner sind in Durchschnitt civilisierter, humaner, freundlicher u umgänglicher, als wir glaubten;
die öffentlichen Verhältnisse — vielleicht mit Ausnahme der Gesetzgebung u Justiz, die mir noch gar sehr an
altenglischer Confusion zu laboriren scheint — sind durchaus gut, vernunftgemäß u einfach, dabei ist die Lage
unseres Gutes so ungemein reizend u unsere Beziehungen zu den Bewohnern des nahen Belleville, so wie zu
den zahlreichen Verwandten, Freunden u Bekannten im deutschen Settlement u in St.Louis sind so angenehm,
daß es unrecht wäre, wenn wir ins durch die widrigen Eindrücke, die dann u wann durch spezielle Veranlassungen
hervorgebracht werden, länger als auf einen Augenblick verstimmen lassen wollten. Unsere brieflichen
Verbindungen mit Europa — oder vielmehr um richtiger zu sprechen, mit dem Westreich sind in regelmäßigem Gange.
Wir haben bereits mehrere Briefe von Hr. u Frau Kraemer in St. Jngbert erhalten, u meine Mädchen haben einige
Korrespondentinnen in Zweibrücken, die uns Alles, was dort vorfällt, bis ins kleinste Detail berichten. Aber wie
kommt es denn, beste Mutter, daß wir bis jetzt weder von ihnen, noch von dem Bruder, noch von irgend einem
unserer übrigen nahen Verwandten in Dentschland eine Zeile erhalten haben? Wir hoffen, daß dies keine
schlimme Ursache habe, u daß recht bald ein Brief von Ihnen oder von einem der lieben Geschwister uns erfreuen wird.
Und nun, Liebstes Mütterchen, will ich versuchen, ihnen den Ort, wo wir hausen, ein wenig anschaulich zu machen,
damit Ihre Phantasie, wenn Sie sich bisweilen zu uns denken, einen Ruhepunkt habe. Unser Gut liegt, wie Sie schon
wissen, nahe bei den freundlichen u rasch aufblühenden Städtchen Belleville, so nahe, daß wir das bellen der
Hunde, das Läuten der Kirchshausglöckchen u das Puffen der Dampfmühlen in B. ganz deutlich hören. Die
Entfernung beträgt kaum eine Viertelstunde, u im Winter haben wir die Aussicht auf einen Theil der Stadt
während uns im Sommer das Grün des dazwischen liegenden Waldes die Häuser verbirgt. Lassen Sie uns nun,
liebste Mutter, einen Spaziergang von Belleville aus zu unserm Gute machen, um zu sehen, wie es sich von
dieser Seite aus nimmt. Wir müssen von B. aus den Weg nach St. Louis, also eine fast ganz westliche Richtung
einschlagen. Kaum sind wir 200 Schritte vor dem Städtchen, so geht der Weg ziemlich steil bergab u wir haben
ein schmales ,mit dunkelgrünen Waldbäumen bedecktes Thal u einen ziemlich bedeutenden Bach- den
Richland Creek- vor uns. Hier entsteht die Frage, ob wir einen nähern Fußpfad, der rechts abgeht,
einschlagen, oder auf der Fahrstraße bleiben wollen. Der Pfad ist sehr romantisch, aber etwas misslich für
Damen: Denn er führt über einen Steg, der bloß aus dem unbehauenen Stamme einer gewaltigen
Platane besteht u noch obendrein etwas morsch zu seyn scheint. Doch ziehen die Frauenzimmer, die bisweilen das Gefährliche
lieben, diesen Weg gewöhnlich vor, obschon vor einigen Wochen ein galanter jungen Herr aus Belleville Mr. Edward West, der
einem meiner Mädchen beim Rückweg zu unserm Gute den Arm geliehen hatte, von der Mitte des Steges in den
Creek pürzelte, indem er, um den Frauenzimmer Muth zu machen, recht leichtfüßig darüber hintänzeln wollte.
Indem ich dies schreibe, kommt Emma von einem Spaziergange nach B. zurück, u berichtet, daß sie im Hinweg noch über
den Steg gegangen sey, bei dem Rückweg aber denselben zusammengestürzt gefunden habe. Wir müssen also nothgedrung
im Fahrweg bleiben. Dieser führt über eine hölzerne, jedoch breite, hübsche solide Brücke. Etwa 20 Schritte weiter
verlassen wir die Straße nach St. Louis u schlagen rechts einen sehr angenehmen Waldweg ein, der unmittelbar auf den
Hügel führt, wo unser Gut liegt. Der Wald ist nicht allzudicht u hat durchaus kein wildes u unheimliches, sondern
vielmehr ein bosketartiges Aussehen. Er besteht meistens aus Eichbäumen verschiedener Art, mit einem Unterwuchs

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von Sumach, Sassafras, Hickoribüschen, was sich zusammen sehr gut ausnimmt. Gar schön ist besonders die Lorbeer-Eiche,
die in hiesiger Gegend sehr häufig ist, u deren dunkelgrünes u glänzendes Blatt dem des Lorbeerbaums ganz ähnlich ist, so
daß man wirklich oft durch einen Lorbeerhain zu wandern glaubt. Auf der Höhe des Hügels stoßen wir sogleich auf das eine Eck
unserer Umzäunung (fence) u sehen auch schon das Haus, das röthlich hinter einer Gruppe von stattlichen Hickoribäumen und
Eichen hervorschimmert. Dieser Ausdruck ist nicht zu stark; denn das Hauptgebäude, obschon nicht sehr groß, hat in der That ein
ungemein freundliches u elegantes Aussehen, u nimmt sich mit seinem Anbau worin die Küche ist, in einiger Entfernung wie ein
Schlößchen aus. Nun geht der Weg noch einige hundert Schritte weiter bis zur Einfahrt in unsern Hof. Dieser bildet  großes
Viereck von mehrern Morgen, ist rings umzäunt u hat wohl über 100 schöne Schattenbäume (meist weiße u Lorbeer-Eichen)
u großentheils namentlich in dem Zwischenräume zwischen Haus u Garten — einen sehr feinen u schönend Rasen von kurzem
bläulich-grünem Gras. Auf dem höchsten Punkte des Hofes, der eine leise aufsteigende Aufhöhe bildet, liegt das von Backsteinen
erbaute Hauptgebäude; etwas tiefer u etwa 25 Schritte näher gegen die Einfahrt hin, das zweite, von Holz erbaute, aber auch
recht nett aussehende Haus, das sogenannte Schulhaus. Es ist nämlich zu bemerken, daß der vorige Eigenthümer meines Gutes,
nicht eigentlicher Landwirth, sondern Lehrer war u hier eine Pensionsanstalt hatte, was ihn veranlaßte, ein zweites Haus
mit 2 sehr geräumigen Zimmern zu erbauen, wovon das eine zur Wohnung für 12-15 Knaben, das andere zum
Schulhalten bestimmt war. Ehe wir in das Haus treten, lassen Sie uns das Äußere der beiden Häuser einen Augenblick
von der Gartenthüre aus betrachten, die dem Hauptgebäude gerade gegen über liegt. Sie präsentieren sich hier
ungefähr so, wie das folgende, freilich sehr unvollkommene Bildchen zeigt:
a.) Backsteinhaus.
b.) Küche; auch von Backsteinen.
c.) unteres Haus, oder Schulhaus.
d.) oberes großes Zimmer.
e.) unteres großes Zimmer, halb unterirdisch.
Die Nebengebäude, also Rauchhaus, Kornbehälter, Stall, Backofen,etc.—  habe ich, aus Mangel an Raum ausgelassen. Auch muß
sich sämtliche Gebäude von grünen Bäumen umgeben denken. Das Haus a hat, wie alle Backsteinhäuser hier zu Lande,
die natürliche Farbe der Backsteine, die jedoch so ungemein regelmäßig gelegt sind, daß es so hübsch aussieht, wie irgend ein anderer
Anstrich: Das Dach hält man für ein Schieferdach, obschon die Schiefern von Holz gemacht, u mit bläulicher Delfarbe angestrichen sind. Die
Fenster sind etwas über 6 fuß hoch und jedes derselben hat 24 Scheiben, die 1 fuß lang u verhältnismäßig breit sind. Das Glas ist gut,
uhngefähr wie die mittlere Qualität des Fensterglases in Deutschland. Die Rahmen der Scheiben sind von Holz u vollkommen nett
gearbeitet. Sämmtliche Fenster haben sehr hübsche, mit grüner Ölfarbe angestrichene Galousie-Läden. Die Hausthüre ist
mit bräunlich-rother, Randel, u Dachgesims mit weißer Ölfarbe angestrichen. Alle diese Arbeiten sind mit ausgezeichneter
Sorgfalt ausgeführt,— wobei ich jedoch, zur Vermeidung irriger Vorstellungen, ausdrücklich bemerken muß, daß dies eine
große Ausnahme von der Regel bildet,—  daß die Farmerwohnungen im Allgemeinen sehr schlecht sind, u daß mein Haus seine
besondere Eleganz bloß den Beschäftigungen u der Liebhaberei des frühern Besitzers verdankt. Das einzige Rohe, was auf dessen
Vorderseite den Blick trifft, ist die Thürschwelle, die für jetzt bloß zwei nachläßig behauenen Balkenstücken besteht.—
Durch die Hausthüre, die sich durch ein schönes Schloß mit, messingenem Griff öffnet- Tritt man in einen wirklich ungemein hübschen
Hausgang, der 9-10 Fuß breit ist, so daß man ihn fast als Zimmer ansehen und benutzen kann, u aus welchem eine sehr nette
Treppe in den zweiten Stock führt. Rechts im Hausgang führt eine Thüre in das untere Zimmer, welches 4 Fenster hat, nämlich jene
N. 1 & 2. nach vorn, u eben so 2 Fenster auf der andern Seite. Beim Eintritt in dieses Zimmer würde das Innere
desselben Sie gewiß angenehm überraschen. Der Thüre gegenüber ist ein Kamin, dessen Bekleidung zwar nur von Holz,
aber so schön gearbeitet ist, daß man sie für ein marmore halten kann. Ebenso elegant sind die Fensterbekleidungen,
die bis zum Fußboden herabgehen u von der feinsten Arbeit sind. Der Fußboden, ob schon nicht eingelegt, ist schöner als
die gewöhnlichen Fußböden in Deutschland. Er besteht aus schmalen Dielen, die sehr glatt u dicht zusammen gefügt sind, wie man
dies hier zu Lande ziemlich allgemein findet, selbst in ärmlichen Wohnungen. Die Wände sind weiß, aber bei weitem
Schöner, als eine weiße Wand in Deutschland zu seyn pflegt. Die Amerikaner haben eine eigene Fertigkeit darin die Zimmerwände
so glatt zu machen, daß man beym Anfühlen glauben kann, sie seyen von Marmor oder Gyps; auch färben sie nicht ab.
Daher sind den auch hier die Tapeten entbehrlicher. Vier oder 5 von unsern mitgebrachten Kupferstichen schmücken diese
Wände, u zwischen den beiden Forderfenstern hängt ein großer Spiegel, den wir gleichfalls mitbrachten. Neben dem Kamin ist
ein großer u schöner Wandschrank, der von dem Fußboden bis zur Decke geht u über welchen die Frauenzimmer ganz
besonders erfreut waren. Das [illegible] Amenblenum des Zimmers besteht aus einem großen Tisch mit Klappen u einem
kleinern, beide von gefirnistem Nußbaumholz, 10 bis 12 hübschen Stühlen von St. Louis u unserm Flügel, der sich

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trefflich conservirt hat, u dessen Werth die Amerikaner auf 450-500 Doll. schätzen. An der Wand über dem Flügel hängt
Emma's Guitarre. Die Kaminöffnung ist während des Sommers durch einen Schirm geschlossen, den die Fraumzimmer aus
mitgebrachten Tapetenstücken sehr nett fabrizirt haben; u vor diesem Schirme liegt ein Fußteppich. Auf dem Kamine
stehen Blumentöpfe mit Sträußen u einiges Silbergeräthe. Da häben Sie nun, liebste Mutter, ein ungefähres Bild
unseres Wohnzimmers, in dem man sich wirklich ganz behaglich fühlen kann. Der obere Stock hat 2 Zimmer— ein
kleineres mit dem Fenster N.3, u ein größeres mit jenen N.4 & N.5, u zwei andere Fenster nach hinten. In diesen beiden
Zimmern haußen u. schlafen die Frauenzimmer. Das größere ist in seinem Innern uhngefähr eben so beschaffen, wie das
schon beschriebene Zimmer des untern Stockes, u hat zwei große Wandschränke. Werfen wir nun noch einen Blick auf die
Küche, als den Hauptschauplatz der weiblichen Thätigkeit. Aus dem untern Zimmer führt eine zweite Thüre auf einen
bedeckten Vorplatz, aus welchem man in die Küche tritt. Diese ist wahrhaft schön, u so bequem als man sie nur
irgendwo in Europa finden mag. Sie ist ebenso hell, wie die Zimmer, u. hat eben solche Wände, wie diese.
An einem Küchenschrank, Anrichttisch u großer Küchenschrank fehlt es auch nicht, u außerdem hat Edward meiner Frau einen
sehr eleganten, mit feinem blauen Drath geflochtenen Mückenschrank zum Geschenk gemacht, der zugleich ein schönes
Möbel ist u sich ganz anders ausimmt, als ein gewöhnlicher deutscher Mückenschrank. Den Kochheerd habe ich in St. Louis
gekauft. Er kostet sammt dem dazu gehörigen Geschirr von Blech, nicht weniger als 40 Doll. (100 fr); dafür
gewährt er aber auch große Bequemlichkeit, u würde die Frauenzimmer ganz befriedigen, wenn er nicht die
Untugend hätte, bisweilen zu rauchen. Unter der Küche ist ein kleiner, sehr kühler u guter Keller, zu
welchem aus der Küche selbst eine Thüre u Treppe hinabführt. Der Fußboden der Küche ist sehr gut gedielt, u
ich glaube, daß sie im Winter der wärmste Platz im Hause seyn wird. Übrigens waren wir genöthigt, bedeutende
Reparaturen an der Küche vorzunehmen. Wir trafen sie, als wir das Gut bezogen, in sehr rohem Zustande,
denn sie war im vorigen Sommer abgebrannt u nur nothdürftig wieder hergestellt. Auch das Schulhaus mußte im
innern erst fertig gemacht werden. Dafür ist aber auch jetzt das obere Zimmer sehr wohnlich u angenehm;
ich habe es seit einigen Tagen mit meinen Knaben bezogen u das andere Haus fast ganz den Frauenzimmern
überlassen. Das erwähnte Zimmer ist ungemein groß - noch bedeutend größer, als der Saal in St. Johann und
eignet sich ganz zum Wohn-, Schlaf- u Unterrichtszimmer für mich u die Knaben. Auch Edward haußt hier
einstweilen. Das untere Zimmer des Schulhauses ist noch in etwas rohem Zustande. Wir haben es zur
Werkstatt, zur Aufbewahrung der Sättel u des sonstigen Geschirres, u zugleich zur Schlafstelle für allenfalsige
Dienstboten bestimmt. Doch ich sehe, daß mein Blatt zu Ende geht, u muß daher die nähere Beschreibung
unseres Gartens u der Umgegend bis zu meinem nächsten Briefe versparen; —nur so viel einstweilen,
daß Beides ungemein schön ist, u daß wir, seit der Frühling die Gegend belebt u geschmückt hat, wie in einem
großen Park wohnen.
Leben sie rechtwohl, beste Mutter, u grüßen Sie alle, die in Liebe an uns denken, aufs innigste von uns
Allen. Ihr treuer Sohn Th. Hilgard sen.
NB. Alle unsere hiesigen Verwandten sind wohl u vergnügt. Auch erfahre ich so eben, daß ein großer
Brief von St. Johann aus dem April, mit vielen Einlagen, unter der Adresse von Fritz Hilgard angekommen
ist; er brachte auch mir ein köstliches Briefchen des lieben Onkels in Arnsberg. Aber wie fatal, daß
mein großer Brief aus New-Orleans, sammt der Reisebeschreibung, nicht angekommen ist!