Sammlung: Crede Family Papers

Verfasser: Heinrich Carl Crede

Empfänger: Hermann Carl Crede

Bezeichnung: Brief an Hermann Crede, 12. November 1879.

Heinrich Carl Crede an Hermann Crede, 12. November 1879

Original text

[roman:] Cassel [/roman], d [roman:] 12t. November 1879. [/roman]

Mein lieber [roman:] Hermann! [/roman]

vor Allem bezeugen wir Dir unsere herzlichen Theilnahme an den Verlußt Deiner lieben Frau, deren frühes Dahinscheiden uns Dein Bruder [roman:] Wilhelm [/roman] Anfangs [roman:] Juni d. J.[/roman] mittheilte. Die Verblichene wird Dir in Deinem Haus u. Wirthschaftswesen hart abgehen und wird es Dir vielleicht auch schwer halten, eine zuverlässige Person für Deinen Haushalt zu erhalten, was um so dringender ist, wenn Du gleich früher öfter längere Zeit von Haus abwesend sein mußt _. Es hat uns recht gefreut, daß [roman:] Wilhelm [/roman] Deine beiden kleinsten Kinder zu sich nehmen wollte, doch kann ich mir denken, daß _ obgleich wohl eine Erleichterung für Dich darin liegen möchte-, es Dir dennoch schwer halten würde, Dich von den Kindern zu trennen. Mein lieber [roman:] Hermann [/roman] Du hast uns seit [underline:] dem 20t. Juli 1878 [/underline] ohne Nachricht von Dir gelassen_, wie kannst Du es übers Herz bringen, Deine alten Eltern, die mit so vieler

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vieler Liebe an Dir hängen u. so sehr für Dein und den Deinigen Wohl besorgt sind, so sehr zu betrüben_? Dein vorerwähntes Schreiben vom 20. Juli v. J. habe ich am [roman:] 23. August [/roman] desselben Jahres beantwortet, erhielt aber keine Erwiederung darauf, dann schrieb ich Dir im [roman:] Februar [underline:] d. [/underline] J. [/roman] von [roman:] Straßburg [/roman] aus, auch dieser Brief blieb unberücksichtigt u. sehen wir noch bis heute sehnsuchtsvoll einer Nachricht von Dir entgegen_. Der Gedanke, daß Dir Deine Eltern und Geschwister so gleichgültig geworden seien, daß es Dir der Mühe zu viel sein sollte, dieselben von Zeit zu Zeit von Eurem Ergehen zu benachrichtigen, scheint mir ebenso unmöglich, als unerträglich u. hoffe ich sicher, daß Du alsbald nach Empfang dieses Briefes ausführlich schreiben wirst. Bei [roman:] Wilhelm [/roman], der öfter von sich hören läßt, geht es ja _ Gott sei Dank _ gut. Wie ich Dir in meinem Schreiben von [roman:] Straßburg [/roman] aus mittheilte, beabsichtigten wir bis zum Herbst daselbst zu verweilen, wurden indeß durch FamilienVerhältnisse veranlaßt, schon Mitte [roman:] April d. J. [/roman] hierher zurückzukehren. [roman:] Theresens [/roman]

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[roman:] Thereses [/roman] kleiner Sohn der _ wie ich Dir mittheilte-, am [roman:] 6 Nov. v. J. [/roman] geboren war, und sich kräftig u. gut entwickelt hat , ist leider am 2. Juni d. J. plötzlich am Gehirnschlag gestorben. [roman:] Therese [/roman] selbst war zur Zeit sehr leidend weshalb wir sie veranlaßten alsbald nach dem Tode des Kleinen zu uns zu kommen, wo ihr eine bessere Pflege zu Theil werden konnte. Sie traf am 7. Juni bei uns, leider krank, ein. Ihr Krankheitszustand verschlimmerte sich durch eine hinzugetretene sehr hartnäckige Unterleibsentzündung der Art, daß während 8 Wochen Tag u. Nacht Eisaufschläge gemacht werden mußten und sie erst nach 5 Monaten so weit wieder hergestellt war, daß sie ihre Rückreise nach [roman:] Straßburg [/roman] antreten konnte u. geht es ihr _ wie sie kürzlich schreibt-, jetzt wieder ziemlich gut. [roman:] Therese [/roman] hatte ihre kleine [roman:] Adelheid [/roman] mit hier. Ein allerliebstes kleines Geschöpf, was uns recht viel Freude gemacht hat und von dem uns die Trennung wirklich recht schwer geworden ist, da wir uns so sehr an die Kleine gewöhnt hatten. Bei

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Bei [roman:] Adelheid [/roman] geht es nicht zum Besten, sie ist etwas schwächlich u. hin u. wieder leidend, dagegen geht es ihren beiden Mädchen, wovon die Jüngste zu Ostern k. J. zur Schule kommt, recht gut._ Deine gute Mutter ist schon seit längerer Zeit mit Unterleibsbeschwerden geplagt, die ihr hin u. wieder viel zu schaffen machen, ohne daß sie gerade das Bett zu hüten braucht, auch hat sich bei ihr der häßliche Husten, der schon oft während des Winters ihr Begleiter war, wieder eingestellt, doch hoffe ich, daß es mit dem Frühjahr wieder besser gehen wird._ Was meine Person anlangt, so ist mein Gesundheitszustand_ Rheumatismus bzws. Gicht abgerechnet - gut. - Daß diese schmerzlichen Uebel nicht zu kuriren sind, davon habe ich mich nunmehr überzeugt, da die zweijährige Kur in [roman:] Wiesbaden [/roman], sowie meine Baden- u. sonstigen Kuren hier in Kassel auch

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auch nicht im Geringsten einen günstigen Erfolg gehabt haben. Im Gegentheil hat sich mein Uebel verschlimmert indem ich jetzt die Schmerzen, die ich in den Händen habe, ebenwohl in den Füßen verspüre._ Hände u. Füße befinden sich stets in einem Zustande, als wären sie eingeschlafen_ todt, dabei aber mit einem stets prikelnden, stechenden &. brennenden Schmerz behaftet, der mir häufig meine Nachtruhe stört_, doch kann alles Klagen nichts helfen u. will ich zufrieden sein, wenn ich nur immer noch um mich kümmern kann u. nicht stets auf das Zimmer angewiesen bin._ Deiner Tante [roman:] Louise [/roman] geht es gut, ich habe sie kürzlich besucht. Sie hat noch immer _ trotz sie nun schon über 66 Jahre alt ist, ihre Schule und wenn sie auch hin u. wieder Krankheit anwandelt, so erholt sie sich doch schnell wieder, sie hat eine unvergleichlich gute Natur. Dein langes Stillschweigen macht sie auch recht besorgt, da sie mit großer

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große Liebe an Dir gehängt, Du würdest ihr eine große Freude machen, wenn Du einmal an sie schriebst._ Nach Deiner Mittheilung vom [roman:] 27. März v. J. [/roman] warst Du nicht Willens wieder ein Amt anzunehmen u. stützten wir darauf die Hoffnung, daß Du uns nach Erledigung Deiner Stellung besuchen würdest-, Wie ist es nun geworden? Kannst u. willst Du zu uns kommen, so darfst Du dies nicht [underline:] zu lang [/underline] verschieben_, denn wer weiß, wie lange wir noch leben_. Unsere größte Freude würde es sein, [strikethrough:] Dich [/strikestrough] bei unsren Lebzeiten Dich noch einmal u. dann wohl das letzte mal bei uns zu sehen._ Auf der Alten Hütte hat es sich auch verändert, die gute Frau Spieß ist in ihrem 80. Jahre gestorben u. mein alter Freund betreibt jetzt auch seine Versetzung in den Ruhestand. Er steht nun auch wieder ganz allein-, [roman:] Nannỷ [/roman] todt, die beiden Söhne verheirathet in [roman:] Saarbrücken [/roman] u. Großallmerode-, ob er zu einem oder dem anderen gehen wird, bezweifle ich fest_. Ueber

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Ueber die hiesigen Verhältnisse kann ich für Dich Interessantes nicht viel mittheilen, auch haben sich solche in wirthschaftlicher Beziehung nicht geändert, die Theurung aller Lebensbedürfnisse hat neuerdings noch zugenommen; Obgleich die diesjährige Ernte eine ziemlich gute genannt werden kann. Der sehr häufige Regen hat wohl hin u. wieder etwas Schaden gethan, dagegen hat es Futterkräuter im Ueberfluß gegeben. Das geschäftliche / Leben soll sich ja, wie die Zeitungen schreiben in [roman:] America [/roman] wieder bedeutend heben, wogegen es hier noch ganz darnieder liegt u. [roman:] Concurse [/roman] an der TagesOrdnung sind._ Gewerbefreiheit u. Freizügigkeit haben bis jetzt für [roman:] Cassel [/roman] nur einen bedeutenden Nachtheil ausgeübt. Der Zuzug, der jetzt aufgehört hat, war anfänglich wohl nicht unbedeutend, indeß bestand er hauptsächlich aus Juden, Bancrotteuren u. Schwindlern, die der Stadt keinen Vortheil gebracht haben. Leute die ohne Geschäft von ihrem Gelde leben ziehen der sehr bedeutenden Abgaben wegen wohl von hier weg aber nicht hierher.

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Dein alter Lehrer [roman:] Dr. Holting [/roman] _ der, wie ich Dir bereits früher schrieb, durch einen Schlaganfall fast hülflos geworden war, ist von einigen Monaten von seinem Leiden erlöst worden. Auch Deiner Mutter Onkel [roman:] Derenthal [/roman] zu [roman:] Cörbecke [/roman], dessen Du Dich wohl erinnern wirst, ist in seinem 82. Jahre mit Hinterlassung eines bedeutenden Vermögens gestorben. Da nähere Verwandte da sind, so hat Deine Mutter nichts zu erben. Man [underline:] vermuthet [/underline] außerdem, daß der Verstorbene sein Vermögen der [underline:] Kirche [/underline] vermacht haben würde. Ein Sohn von Conrad [roman:] Lampmann, [/roman] der ein ziemlicher Taugenichts war ist nach Australien ausgewandert, wo er sich vielleicht bessert oder zu Grunde geht. Ich schließe mit den besten Wünschen für Euer Aller Wohlergehen u. hoffe bald Ausführliches_ namentlich über Deine Kinder_ von Dir zu hören. Dein treuer Vater.

Herzliche Grüße von Deiner Mutter_ die wegen Deines langen Stillschweigens recht aufgebracht ist_ u. von [roman:] Adelheid [/roman]. Auch Tante Louise läßt herzlich grüßen.