Verfasser: Caroline Emmel

Empfänger: Karl Emmel

Caroline Emmel to Karl Emmel, August 19, 1927

Englischer Text

Original text

Wiesbaden, d. 19.8.27. Lieber Karl. Deinen lieben Brief vom 29.7. haben wir erhalten. Auch vielen Dank für Deine Gratulation zum Geburtstage. Ich bin dieses Jahr 50 Jahre alt geworden, u. Du wirst 26. Wir gratulieren Dir alle recht herzlich zu Deinem Geburtstage u. wünschen Dir Gottes reichen Segen auf Deinem ferneren Lebenswege. Der liebe Gott sei bei Dir u. behüte Dich auch fernerhin. Wenn Dein Geburtstag ein Monat später wäre, so könnten wir Dir persönlich gratulieren. Jetzt sind wir am packen. Da sehen wir erst was wir für vielen Kram haben. Vater schüttelt als manchmal bloß den Kopf. Doch ist daran nichts zu ändern. Es muß alles durch gemacht werden. Vorhin schrieb ich nach Frankfurt, daß sie nächste Woche das Eßzimmer abholen sollen, damit wir an einer Ecke Luft bekommen. Wir müssen denken auch dieses wird vorüber gehen. Wenn wir noch einmal 14 Tage älter sind so ist das meiste erledigt, dann gehen Johanna und ich noch einmal nach Steeden. Die paar letzten Tage müssen wir dann sehen wie wir sie herum bringen. Hier ist das Wetter jetzt sehr schlecht, es [page 2:] regnet Tag für Tag die Leute haben ihre Frucht noch nicht daheim u. können auch die ganze Zeit nicht weiter arbeiten. Der Schmidte Pit ist in Frankfurt operiert worden am Magen. Ich war vorige Woche einmal dort. Es ging ihm leidlich er hatte keine Schmerzen. Ob es aber gut wird, weiß man nicht der Arzt sagt es sei ein bösartiges Geschwür gewesen, welches sie nicht ganz hinweg schneiden konnten. Da muß man sehen wie es wird. Es steht ja alles in Gottes Hand u. jedem ist seine Stunde bestimmt. Er hat ja genug gearbeitet sein Lebenlang. Johanna war doch wieder in Steeden, da Luischen wieder krank war, u. ihr Vater auch verunglückt ist, er hat den Arm aus dem Gelenk gehabt u. das Bein gequetscht. Der Gaul ist ihm durch gegangen. In Steeden ist über all soviel Krankheit u. Not. Da könnte man immer helfen. Dort ist die viele Arbeit u. keine Leute die sie tun. In Nordenstadt ist noch alles beim Alten. Ihre Frucht haben sie schon alle daheim. Diese Woche waren die Alten zum erstenmal wieder hier seit Ostern. Vater war vor 14 Tage ungefähr einmal draußen u. sagte ihm wir brauchten unser Geld. Dieses hatten wir ihm ja schon damals gleich gesagt, als wir wußten, daß wir drüben etwas kaufen könnten. [page 3: ] Vater hatte dabei gesagt vielleicht könnten Ewalds ihnen helfen. Sofort reiste der Alte nach Frankfurt u. sagte bei Ewalds, wir wollten unser Geld u. hätten gesagt sie sollten es geben. Darauf erhielten wir von H. Ewald einen Brief. Als er nun diese Woche hier war, sagte er Ewalds hätten kein Geld u. wenn er sonst keines kriegen könnte so könnte er es uns nicht geben, mit der größten Kaltblütigkeit sagte er es uns. Sie scheint sich ja mehr Gedanken zumachen als er. Sie sieht furchtbar schlecht aus, hätte in 14 Tagen 7 Pfund abgenommen u. will auch krank sein. Wilhelm ist es auch immer nicht gut. Seine Nerven sind ganz kaput, jeder Windstoß bläst ihn um. Luischen ist jetzt in Allendorf in seinem Häuschen, ob wir es noch einmal sehen werden wissen wir nicht, ich denke wir schreiben ihm wenn wir über Giesen fahren dann kann es vielleicht noch einmal dorthin kommen. Wir haben allerlei Sachen die es haben soll, es ist doch so allerlei was man nicht verkaufen kann u. einem doch zu schade ist zum wegwerfen. Damit wollen wir Luischen beglücken, da es doch jetzt recht anfängt einen Haushalt zu gründen u. es alles gebrauchen kann. Für Lenchen haben die Nordenstadter schon allerlei gekauft u. herbesorgt. Ein ganz großartiges Tischtuch mit Servietten für bald 70 Mark glaube ich. So eines habe ich noch gar nicht [page 4: ] gesehen. Ob es das Geld dazu geschickt hat? Die Sachen für Emmels kaufen wir noch. Vater bekommt noch einen neuen Anzug vom Wibben gemacht, hoffendlich gerät er. Staudt hat eben Vaters eine Hobelbank schon geholt. Herrmann ist an seinem Schrank, den er als Gesellenstück macht. Durcheinander an allen Ecken. Unsern Wein müssen wir feste trinken, was wird es uns später so leid sein, wenn wir keinen haben. Die Frau Schmidt die (Luise Müller) liegt schon mehrere Wochen im Paulinenstift was ihr eigentlich ist weiß niemand. Frau Bender wollte sie besuchen wurde aber abgwiesen u. ihr gesagt nur die Angehörigen dürften zu ihr. Sie scheint recht krank zu sein. So ist es, jetzt haben sie ein Geschäft u. nun ist sie krank. Da sieht man so recht daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Voriges Jahr hörte man nur, wie das Geschäft so gut ginge, der Laden in der Ellenbogengasse müßte größer gemacht werden, dieses Jahr setzten sie die Frl. Hering mit ihrem Hutladen hinaus u. nahmen den kleinen Laden noch dazu, dann sprechen sie vom ersten Stock noch zum Geschäft u.s.w. Was macht Willy wir hören gar nichts von ihm. Grüße ihn von uns, auch alle Bekannten u. Verwandten. Sei auch Du vielmals gegrüßt von uns allen besonders von Deiner Dichliebenden Mutter. [page 4, lower-left margin:] Ich habe garnicht die richtige Ruhe zum Schreiben Julius grüßt herzlich.